Für fast alle Teilnehmer der Auftaktveranstaltung der Initiative Diplomatic Council Quantum Leap war der 19. März 2024 ein historischer Tag: Zum ersten Mal in ihrem Leben haben sie einen Quantenchip live in Augenschein nehmen dürfen - gut sichtbar unter einem Mikroskop. Dazu gab es hervorragende Vorträge von Harald A. Summa („der Mann, der das Internet nach Deutschland brachte“), Chairman der neuen Initiative, und Matthias Reidans, Koryphäe auf dem Gebiet Quantentechnologie von der Firma Rosenberger-OSI. „Es gab die industrielle, die technische und die digitale Revolution, und jetzt treten wir in das Zeitalter der Quantentechnologie ein“, verdeutlichte Harald A. Summa gleich am Anfang die historische Dimension der neuen Quantenära. Es war ein hervorragender Auftakt für DC Quantum Leap. Ziel der Initiative ist der Aufbau eines Ökosystems für Quantentechnologie, um über die derzeitige technisch-wissenschaftliche Forschung und Entwicklung hinaus einem breiten Spektrum kommerzieller Akteure die Mitwirkung an diesem künftigen Milliardenmarkt zu ermöglichen.
Vorwettbewerblicher Kreis für Data Center
Unter den Teilnehmern waren am 19. März die Geschäftsführer zahlreicher namhafter Data Center-Betreiber. Die Anpassung der Data Center als Schlüsselkomponenten des Internet an die Quantentechnologie ist nämlich ein Kernthema für die neue Ära. Entsprechend lebhaft und konkret verlief die Diskussion.
DC Quantum Leap bietet für Data Center, die sich der Initiative von Harald A. Summa anschließen, die Möglichkeit, sich in einen vorwettbewerblichen Kreis auszutauschen, welche Schritte sinnvoll sind, um sich auf die künftige Quantentechnologie vorzubereiten. Das Unternehmen Rosenberger Optical Solutions & Infrastructure ist seit 1991 ein anerkannter Experte für glasfaserbasierte Verbindungstechnik, Verkabelungslösungen und Infrastruktur-Services in den Bereichen Rechenzentren, lokale Netzwerke, Mobilfunknetze und industrielle Anwendungen. Der Mutterkonzern Rosenberger Hochfrequenztechnik GmbH & Co. KG bietet bereits mehrere Quantentechnologie-Produkte im Bereich Quantencomputing-Hardware an. Rechenzentren werden die „Heimat“ des Quantencomputing sein. Denn im ersten Schritt werden nach Einschätzung der Vortragenden nicht etwa „überall Quantencomputer herumstehen“, sondern das Gros der „Quantenleistung“ wird aus der Cloud – also Data Centern – bezogen werden. „Es geht darum, Hochleistungsrechenzentren mit Quantencomputermodulen aufzurüsten“, erklärte Matthias Reidans die nächsten Schritte.
Quantum as a Service
Unter den anwesenden Chefs der Data Center-Branche herrschte Einigkeit darüber, dass über kurz oder lang Quantencomputer Einzug in die derzeit noch konventionellen Data Center halten werden. Harald A. Summa formuliert: „Quasi als Turbolader für bestehende hochleistungsfähige Computer werden sie spezifische Anwendungen skalieren und insbesondere in der generativen KI weitere Innovationskräfte entfalten. Als Quantum as a Service werden sie in der Cloud einem breiten Anwenderspektrum in Industrie und Forschung zur Verfügung stehen.“
Bei der Frage, wann dieser Innovationszyklus in der Praxis an Relevanz gewinnen wird, herrschen unterschiedliche Meinungen. Nach Einschätzung von Matthias Reidans steht dieser Zeitpunkt unmittelbar bevor. Er verweist auf Entwicklungen etwa bei europäischen Herstellern wie IQM, AQT und eleqtron, die leistungsstabile Quantencomputer zum Teil heute schon zu erschwinglichen Preisen liefern können und auf weitere technologische Durchbrüche auch in den USA, China und Kanada.
Quanten-Versuche am DE-CIX
Umlagert war an dem Abend neben Harald A. Summa und Matthias Reidans auch Thomas King, Chief Technology Officer des DE-CIX, des größten Internet-Austauschknotens in Europa. Er wußte über die Erkenntnisse aus den Versuchen mit Quantentechnologie bei der Datenübertragung zu berichten. Quantencomputing benötigt nämlich völlig neue Übertragungswege, weil dabei Photonen statt Elektronen (wie bei herkömmlichen Computern) auf die Reise geschickt werden. Am DE-CIX geht es um den Aufbau einer Versuchsstrecke zwischen Frankfurt und Berlin, gemeinsam mit 15 Partnern wie beispielsweise Fraunhofer.
Akut: quantenresistente Datenverschlüsselung
Große Einigkeit herrscht bezüglich der Aktualität der quantenresistenten Verschlüsselung. Quantencomputer sind nämlich in der Lage, die bei weitem meisten der üblichen Verschlüsselungssysteme zu knacken. Das birgt die Gefahr, dass Kriminelle heute schon Datenbestände an sich reißen, die sie in wenigen Jahren entschlüsseln können. Konsequenterweise kommt es darauf an, die Datenbestände heute schon quantensicher zu verschlüsseln. Zugleich müssen die bisherigen asymmetrischen Verschlüsselungsverfahren durch symmetrische ersetzt werden, um Quantenschutz zu erlangen. In der Fachsprache heißt das Post-Quantum-Kryptographie.
Eindringlich warnte der Quantum Leap-Chef vor unsicheren Infrastrukturen. Harald A. Summa gewährte an dem Abend einen Blick in die Zukunft der Photonenbasierten Schlüsseldistribution über Satellit: „Es wäre vorstellbar, dass künftig über Satelliten Milliarden von Schlüsseln verteilt werden, um die Sicherheit der Quantenwelt zu gewährleisten.“ In den nächsten Jahren werden Hunderte von Satelliten ihren Orbit erreichen, die mit Modulen zur Photonenübertragung ausgestattet sind.
Quantentechnologie einfach erklärt
Harald A. Summa gab auf dem Event einen kursorischen Überblick über die vielfältigen Forschungs- und Entwicklungsaktivitäten auf dem Gebiet der Quantentechnologie. Matthias Reidans gelang es, die physikalischen Grundlagen für die Teilnehmer besonders leicht verständlich zu vermitteln, indem er den Vergleich zwischen Quantencomputing und dem Aufbringen und Abspielen von Informationen auf einer traditionellen Schallplatte zog - analog statt digital. Zur Verblüffung vieler Anwesender erklärte der Experte von Rosenberger-OSI, dass die heutigen Quantencomputer im „handling“ von Welleninformationen ähnliche Funktionmechanismen verwenden und mit „Unschärfen“ umgehen können wie ein Quantenrechner. Präzise Quantencomputer liegen noch in weiter Ferne, lernten die Teilnehmer. Weltweit wird jedoch mit Hochdruck an der „Scharfstellung“ von Rechenergebnissen und der Entwicklung geeigneter Programmiersprachen gearbeitet.
Ob jeder der Anwesenden wirklich verstanden hat, was die Heisenberg’sche Unschärferelation, Schrödingers Katze (die aus Gründen der Political Correctness nicht mehr mit einem zufälligen Tod zum Wohle der Wissenschaft in Verbindung gebracht werden sollte), Quantenverschränkungen, Wellenfunktionen, die starke Parallelisierung oder die Planck-Konstante (die physikalisch kleinste Länge) miteinander zu tun haben und warum Quantencomputer schneller als mit Lichtgeschwindigkeit funktionieren, sei dahingestellt. Es ist auch nicht notwendig, um die Auswirkungen zu begreifen.
Ionenfalle zum Anfassen
Neben dem Quantenchip gab es an dem Abend ein weiteres Mal Technologie zum Anfassen: Eine von Matthias Reidans mitgebrachte Ionenfalle aus der ambitionierten Siegener Quantencomputer-Schmiede „eleQtron“ wanderte von Hand zu Hand. Mit der Falle werden Ionen eingesammelt und manipuliert, so dass sie als sogenannte Qubits in Quantenchips funktionieren können. „Quantencomputer erreichen ihr entscheidendes Leistungsstärken-Niveau ab etwa 1.000 funktionsfähigen, d.h. logischen, steuerbaren Qubits“, sagte der Rosenberger-OSI-Fachmann. Und weiter: „Die `Quantum advantage´ wird sich dann ihren unaufhaltsamen Weg bahnen und schlagartig ins Bewußtsein der Digitalgesellschaft einbrennen.“
Quuantencomputing bei Raumtemperatur
„Funktionieren Quantencomputer nicht nur in Umgebungen mit extremer Kälte“, wollte der Geschäftsführer eines Data Center wissen, wovon viele schon gehört hatten. Die Antwort verblüffte viele Anwesende: „Es gibt bereits einen Quantencomputer zu kaufen, der bei Raumtemperatur arbeitet“, stellte Quantentechnologie-Experte Matthias Reidans klar. Er ergänzte: „Man kann ihn in einem gewöhnlichen Rechenzentrum im dort üblichen 19-Zoll-Format in Betrieb nehmen“. Die in Innsbruck ansässige Firma Alpine Quantum Technologies entwirft bevorzugt solche betriebsanforderungs-unaufwändigen Systeme.
Viele Branchen betroffen
Die Referenten stellten an dem Abend klar, dass vom Herauskommen der Quantentechnologie aus den Forschungs- und Entwicklungslaboren und dem Eindringen in die Wirtschaft zahlreiche Branchen betroffen sein werden. Dazu zählen beispielsweise die Energiewirtschaft, der Umwelt- und Klimaschutz, das Finanzwesen, die Industrie, Chemie, Logistik und die Verkehrssteuerung sowie vor allem das Anwendungsgebiet der Künstlichen Intelligenz. In der Kombination aus KI und Quantencomputing ergeben sich heute noch schwer vorstellbare Leistungsschübe, deren Auswirkungen sich teilweise nur erahnen lassen.
Quantensensorik in der Medizin
Auf dem für viele Teilnehmer historischen Event wurde auch klar: Quantentechnologie bedeutet viel mehr als nur mit Quantencomputern umzugehen. So ermöglicht diese Technologie auch in der Sensorik einen Quantensprung im wahrsten Sinne des Wortes. Beispielsweise werden die heute üblichen Verfahren der Computertomographie (CT) und der Magnetresonanztomographie (MRT), um in den menschlichen Körper hineinsehen zu können, künftig durch quantensensorische Verfahren abgelöst werden, die eine um ein Vielfaches bessere und damit aussagekräftigere Darstellung ermöglichen.
Fazit: Es ist Eile geboten
Quantencomputer werden nicht „über Nacht“ herkömmliche Computer ablösen, aber diese sehr zügig ergänzen. Um sich darauf vorzubereiten, ist die Anpassung der Infrastruktur – Data Center und Übertragungswege – jetzt geboten. Es ist höchste Zeit, Datenbestände und -übertragungen quantenresistent zu machen. Im Moment des Erreichens der „Quantum advantage“-Schwelle, mit der klassische Computersysteme in der Leistung signifikant überholt werden, sind bislang sicher verschlüsselte Daten und Datenübertragungen exponiert. Die Quantentechnologie mit ihrem fast unvorhersehbaren Leistungspotenzial wird über das Computing hinausgehend auf vielen Gebieten wie beispielsweise der Medizin eine neue Ära einläuten. Eine neue Quantenwirtschaft mit vielfachen positiven Effekten steht am Anfang ihrer Entstehung. Mit Quantum Leap bringt das Diplomatic Council die wesentlichen Akteure zusammen, die die Quantenökonomie mitgestalten und davon profitieren wollen.
So kann man bei Quantum Leap mitmachen
Unternehmen, die sich in die Initiative Quantum Leap einbringen wollen, können sich hierzu über folgenden Link anmelden: https://www.diplomatic-council.org/quantumleap