Thought Leadership
Diplomatic Council Member Jamal Qaiser, Mitglied der muslimischen Ahmadiyya-Gemeinschaft („Liebe für alle, Hass für keinen“), im Interview mit dem katholischen TV-Sender EWTN (Katholisches Fernsehen weltweit), über die deutsche Migrationspolitik, die Bedeutung von Religion, Krieg und Frieden sowie sein Buch „Der fremde Erfolgsfaktor“. Jamal Qaiser ist als achtjähriger Junge mit seinen Eltern nach Deutschland gekommen. Sein erstes Geld hat er auf Flohmärkten verdient. Später hat er eine Modefirma aufgebaut. Heute ist er als Immobilieninvestor sehr erfolgreich. „Sie sind ein Paradebeispiel eines erfolgreichen Migranten“, sagt TV-Moderator Christian Peschken. „Es darf keinen Zwang für religiöse Angelegenheiten geben“, sagt Jamal Qaiser: „Jeder hat das Recht, seine Religion zu wählen.“ Jamal Qaiser steht exemplarisch für das breite Spektrum, den hohen Intellekt, die Klarheit im Denken und die Empathie für die Menschheit unserer Mitglieder!
Christian Peschken im Gespräch mit DC Mitglied Jamal Qaiser, einem Buchautor, Unternehmer und Politikberater (https://youtu.be/axw95J7rPFw)
Unser heutiger Gast behauptet, die weitverbreitete Meinung, dass es mit Deutschland wirtschaftlich bergab gehe, sei Quatsch. Er sagt auch, er habe keinen Zweifel daran, dass wir arm werden, wenn wir nicht jetzt unsere Kinder und Jugendlichen für die nächsten Generationen heranbilden. Außerdem glaubt er als Mitglied der muslimischen Ahmadiyya-Gemeinschaft, das die Verweltlichung und das Abwenden von Gott ein wesentlicher Grund für die Krisen auf der Welt sei.
Jamal Qaiser ist ein pakistanisch-deutscher Buchautor, Unternehmer und Politikberater. Er migrierte im Alter von acht Jahren mit seiner Familie nach Deutschland. Qaiser ist Mitglied des Diplomatischen Rates (Diplomatic Council) und dessen UN-Beauftragter. Das Diplomatic Council hat akkreditierten Beratungsstatus beim Wirtschafts- und Sozialrat der UN.
Eines von vielen Büchern, die Jamal Qaiser geschrieben hat, nannte er „Der fremde Erfolgsfaktor“. Darin kritisiert er die deutsche Migrationspolitik und zeigt auf, warum Deutschland Migranten und Einwanderer für die Zukunft benötigt.
Sie selbst sind aus Pakistan mit ihrer Familie im Alter von acht Jahren nach Deutschland migriert. Im Alter von 14 Jahren verdienten Sie Ihr erstes Geld als Händler auf Flohmärkten in Frankfurt am Main, starteten später einen Modehandelsbetrieb und gründeten Ihre eigene Immobilienfinanzierungsfirma. Sie sind heute ein, wenn ich das so sagen darf, Paradebeispiel eines erfolgreichen Migranten. Was ist heute anders, und warum haben Sie sich damals für Deutschland entschieden?
Fangen wir mit der letzten Frage an: Warum habe ich mich für Deutschland entschieden? Es war nicht meine Entscheidung. Ich war erst sieben, acht Jahre alt, als wir nach Deutschland kamen. Mein Großvater war bei der pakistanischen Luftwaffe.
Und 1963 hatte er die Möglichkeit, nach Großbritannien auszuwandern. Denn nach dem Zweiten Weltkrieg hatten diejenigen, die beim Militär oder bei der Luftwaffe waren, die Möglichkeit, mit einem unbefristeten Visum nach Großbritannien auszuwandern. Also beschloss er 1962, nach London zu ziehen. Und in London traf mein Vater 1979/80 die kluge Entscheidung, nach Deutschland zu kommen. Er kam nach Deutschland, weil er dachte, da er in London Polizeibeamter war, dass es für die Familie finanziell besser wäre, wenn er nach Deutschland käme, weil Deutschland in den 80er-Jahren wieder zu boomen begann und die Wirtschaft sehr gut war und er in Deutschland eine bessere Perspektive und Chancen für sich und uns Kinder sah.
Das war also der Hauptgrund, warum wir nach Deutschland kommen wollten. Aber wir sind nicht direkt von Pakistan aus nach Deutschland gekommen, sondern wir kamen über London. Und um ganz genau zu sein: Wir kehrten 1979 von Großbritannien zunächst wieder nach Pakistan zurück und blieben dort sechs Monate.
Und dann stand mein Vater vor der Entscheidung, ob wir zurück nach London oder direkt nach Deutschland gehen sollten. Da er auch ein wenig über Deutschland wusste, entschied er, dass wir dieses Mal nach Deutschland auswandern würden.
Nochmal zurück zur ersten Frage: Wie war Deutschland damals im Vergleich zu heute?
Da ist ein großer Unterschied. Heute weiß die deutsche Regierung zumindest, dass wir aufgrund der demografischen Entwicklung ein Land sind, das Einwanderer willkommen heißen muss, und diese mit allen Menschen, die in diesem Land leben und die deutsche Staatsangehörigkeit haben, eine Gemeinschaft bilden müssen, eine Gruppe, ein Team, eine Einheit.
Jedoch als ich 1980 in die Schule kam, gab es keine Integrationskurse, keine Deutschkurse, das gab es nicht. Ich hatte das Gefühl, ich käme in ein Land, als Englischsprechender, und die Lehrer wussten nicht, was sie mit diesem Kind machen sollten, acht Jahre alt in der zweiten Klasse.
Er ist Ausländer? Was macht er in Deutschland? Er ist das einzige farbige Kind in der ganzen Klasse. Es war also nicht der richtige Zeitpunkt in Deutschland, denn gewöhnliche Lehrer konnten 1980 nicht ahnen, dass die Geburtenrate so drastisch sinken würde. Denn sie waren nicht auf Demografie oder Mathematik spezialisiert. Das war die Aufgabe der Politiker, ihnen beizubringen, dass wir heute eine globale Welt haben und dass es Gottes Wille ist, dass sich alle Kinder Gottes in der ganzen Welt vermischen. Und dieses Land ist ein beeindruckendes Land.
Und wenn wir uns alle zusammentun und als Gemeinschaft zusammenarbeiten, dann werden wir viel besser sein als vorher. Wir werden noch viel mehr für die Menschheit tun können als das, glaube ich, was ein Volk alleine sich erdenken kann.
In Ihrem Buch „Der fremde Erfolgsfaktor. Warum wir in Deutschland die Einwanderer dringend benötigen“ stellen Sie die These auf: „Um den jetzigen Wohlstand zu sichern, bleibt Deutschland gar nichts anderes übrig, als sich für Zuwanderer attraktiver als bisher zu positionieren. Wenn ich nach den aktuellsten Prognosen der Konjunktur-Institute gehe, scheint Deutschland immer unattraktiver zu werden, von der großen Zahl von Flüchtlingen, die das Land geradezu überschwemmen, gar nicht zu sprechen. Sie sind jedoch der Ansicht, dass wir mehr Einwanderer benötigen?
Es geht in Deutschland gerade das Gerücht um, dass es mit Deutschland wirtschaftlich bergab geht und es keine Zukunft in diesem Land gibt. Ich denke, ehrlich gesagt, das ist alles Quatsch.
Ich persönlich finde, Deutschland hat eine ausgezeichnete Wirtschaft, großartige Strukturen und ein sehr gutes politisches System und eine sehr gute Justiz. Und nicht nur das, auch die Exekutive, wie die Polizei und andere, machen einen prima Job. Das sollten wir nicht vergessen.
Auf jeden Fall gibt es eine Veränderung im Weltgeschehen, in der Weltwirtschaft als solcher. Aber ich denke, wir haben nur ein Problem, das wir lösen müssen. Deutschland hat sein Geld oder seinen Reichtum immer mit der Informationstechnologie gemacht. Sie waren die Ersten, die die zahlreichen Entwicklungen vorgestellt haben, und dann haben die anderen die Informationstechnologie, die Technik kopiert. Aber wenn wir die Kinder in diesem Land nicht für die nächsten Generationen heranbilden, werden wir arm werden, daran besteht auch kein Zweifel.
Aber weil wir ein reiches Land sind, weil wir die Mittel haben, die Menschen hierherzuholen und ihnen die notwendigen Fähigkeiten zu vermitteln, wie ich auch in meinem Buch erwähne, brauchen wir eine Vereinfachung von Verfahrensweisen. Wenn zum Beispiel ein qualifizierter Arzt aus Asien kommt, muss er hier eine mehrjährige Ausbildung absolvieren, um Arzt zu bleiben. Das muss vereinfacht werden, auch bei Ingenieuren und den IT-Jobs und so weiter. Und wenn wir das tun und auch die Asylbewerber an den Grenzen kontrollieren, und den Weg für legale Einwanderung erleichtern, dann, denke ich, haben wir die Grundlage dafür, dass wir eine Menge Studenten in dieses Land bekommen.
Wir müssen eine Willkommensgesellschaft für all diese Studenten schaffen die kommen und sie dann hier integrieren.
Wir müssen ihnen die Pässe und Visa leicht zugänglich machen. Wir müssen mehr Personal in unseren Visastellen haben. Die Leute kommen mit einem Master-Abschluss hierher und müssen fünf Monate warten, bis sie ein Visum bekommen? Auch selbst die kleineren Dinge müssen wir von unserer Seite aus verbessern. Und wir sind ja auch ein Land mit sehr hohen Steuern, und wir müssen das Steuersystem vereinfachen.
Es gibt zu viele Steuerklassen , wie z. B. Einkommenssteuer, Gewerbesteuer, sie sollten vereinfacht werden, wie es viele andere Länder bereits tun, damit jeder das System leicht verstehen kann.
Und dann haben wir auch Kinder, die aus Familien kommen, die nicht gut ausgebildet sind, und deren Eltern sind nicht sehr erpicht darauf, dass sie eine höhere Ausbildung machen. Auch ihnen müssen wir etwas beibringen. Wir müssen ihre Eltern unterrichten, daran müssen wir arbeiten.
Aber wenn es uns gelingt, diese 15 Millionen Kinder, die heute in Deutschland sind, ernst zu nehmen und etwas aus ihnen zu machen, dann glaube ich, dass wir in den nächsten Jahren großartige Erfolge sehen werden.
Die UN hatte im Dezember 2018 einen sogenannten globalen Pakt für eine sichere, geordnete und regulierte Migration verabschiedet. Mit dem Pakt wurden erstmals globale Leitlinien für die internationale Migrationspolitik verabredet. Der Pakt ist allerdings rechtlich nicht bindend. Die derzeitige Migrationspolitik der Bundesregierung wird vielerorts kritisiert. Viele beklagen eine „ungebremste Masseneinwanderung“. Seit 2015 habe die Bevölkerung in Deutschland insgesamt um fast vier Millionen Menschen zugenommen, wobei die meisten Migranten „völlig unkontrolliert“ in die Bundesrepublik kämen. Ist es nicht an der Zeit, das in den Griff zu bekommen, mit auf Deutschland zugeschnittene Regeln?
Auf jeden Fall. Wir müssen alle und jeden, der ins Land kommt, reglementieren. Wir können nicht zulassen, dass jeder, der in dieses Land kommt, seine eigenen Vorstellungen mitbringt, oder terroristische Gedanken im Kopf hat oder eine Krankheit, die er aus seinem Teil der Welt mitbringt, das müssen wir steuern, zweifelsohne.
Aber auf der anderen Seite gibt es auch eine humanitäre Seite. Wenn jemand an unsere Grenzen kommt und sagt, ich brauche Asyl, weil in seinem Land Krieg herrscht, müssen wir ihm helfen. Aber das müssen wir von Fall zu Fall prüfen. Und natürlich müssen wir vorrangig unsere Leute hier und unser Land schützen.
In vielen Ländern der Welt, wo derzeit Konflikte herrschen, leben überwiegend Muslime. Und die Höhe der Zuwanderung in Europa und Deutschland, ist eine Folge von diesen Konflikten. In Ihrem Buch sprechen sie von kulturell und religiös bedingten Integrationshindernissen. Das heißt also religiöse Hindernisse, nachdem die Einwanderer ins Land gekommen sind. Sollte man die religiöse Überzeugung von Flüchtlingen und Zuwanderern beeinflussen, oder unsere Religionslandschaft verändern oder anpassen?
Wie Sie eingangs sagten, gehöre ich der muslimischen Ahmadiyya Gemeinschaft an, und unser Motto lautet: Liebe für alle und Hass für keinen. Wir glauben an den Heiligen Koran, der sagt, dass es keinen Zwang in religiösen Angelegenheiten gibt. Jeder hat also das Recht, frei zu denken und seine Religion zu wählen, was immer er für das Beste hält, um Gott zu erreichen. Das ist also das Wichtigste.
Wir leben nicht in einer Zeit, in der wir jemandem das Christentum oder den Islam oder sonst etwas aufzwingen dürfen. Aber sie sind alle Gottes Bücher und wir können etwas daraus lernen. In unserer Gemeinde ist es ganz klar, dass Staat und Religion getrennt bleiben müssen. In diesem Sinne ist es also ein säkularer Staat. Und in einem säkularen Staat muss man jeder Religion das Recht geben, das sie braucht, wenn sie auf humanitären Gedanken basiert.
In Deutschland zum Beispiel sagt man, dass unsere Ideen auf dem Christentum, dem christlichen Glauben basieren, auf der Nächstenliebe und so weiter. Aber sie übernehmen nicht alles aus der Bibel, sie nehmen nur das, was die Menschheit aus diesen Büchern gelernt hat, um zu gedeihen.
Und ich glaube, dass das deutsche Recht und das deutsche Grundgesetz viele Dinge enthält, die aus dem Islam, aus dem Judentum, vielleicht auch etwas aus dem Hinduismus stammen. Das ist die Grundlage, die wir in diesem Land haben. Ich denke, auf dieser Basis beruht das säkulare System, nämlich das uns allen religiöse Überzeugungen oder das weltliche Denken erlaubt. Jeder hat das Recht, seine Religion zu haben, seine Religion zu wählen und sie auszuleben. Ich denke, das ist eine gute Basis, und wir sollten sie beibehalten.
Ist es nicht das Problem schlechthin, dass so viele Menschen Gott den Rücken zukehren und wir als Gläubige es erlauben, die Religion zu entstellen, zu verzerren?
Sie haben völlig Recht. Die Menschen haben sich von Gott abgewandt und sind nicht mehr gottesfürchtig. Es gibt nur sehr wenige Menschen, die mit den Religionen verbunden sind, mit dem Christentum. Es gibt viele Menschen, die in die Moschee gehen, so sind die Moscheen zwar voll, aber das Glaubenssystem ist zerstört. Auch im Hinduismus gibt es viele Menschen, die gehen, aber das ist nur eine kulturelle Sache.
Wenn die Menschheit also zu Gott zurückkehren würde, gottesfürchtig wäre, dann würde Gott, glaube ich, ihr definitiv aus der Krise helfen, in der sie sich heute befindet. Schauen Sie nur die Kriege an, die in der Welt stattfinden. Sie haben Gott vergessen, sie glauben nicht an Gott, sie glauben nicht an die Bibel, den Koran, sie glauben nicht daran. Die meisten Leute recherchieren das nicht einmal.
Aber das ist ein Zustand, der sich allmählich auch wieder ändern kann.
Wenn du heute jemanden fragst: Warum hast du nicht zwei Kinder? Ich verdiene kein Geld. Ich verdiene kein Geld. Aber wenn sie an Gott glauben würden, er würde für sie sorgen, dann könnten sie auch sechs Kinder haben. So hätten wir das demographische Problem sehr schnell gelöst. Aber sie glauben eben nicht an Gott. Sie glauben an Geld. Sie sagen, dass das Geld zuerst kommen muss und dann werden wir Kinder haben. Und das ist nur ein kleines Beispiel, das ich hier nenne, denn es gibt noch eine Menge anderer Dinge, die, zweifellos, wie Sie sagten, das Glaubenssystem verzerren.
Wie sehen Sie, Ihre Gemeinschaft, Papst Franziskus?
Ich glaube, dass der Papst großartige Arbeit leistet. Er versucht, alle Religionen zu integrieren, und er spricht sich gegen Gier und alle internationalen Kriege aus. Und er ist ein Friedensbotschafter. Ich habe seine Reden gehört, und sie sind großartig. Aber genauso hat von unserer Gemeinschaft Kalif Hazrat Mirza Masroor Ahmad, der fünfte Nachfolger des verheißenen Hazrat Mirza Ghulam Ahmad, auch eine Menge großartiger Arbeit geleistet. Er reist auch in Länder und setzt sich für den Frieden ein. Aber es gibt nicht mehr viele Menschen, die auf diese religiösen Führer hören. Sie sind so sehr an Gier und Geld und imperialistischer Weltpolitik interessiert, das sie nicht mehr daran glauben.
Einige der Leute, die an der Macht sind, sind so weit von Gott entfernt, und sie glauben nur an eine Sache, dass, wenn sie nicht stärker werden und alles mit viel Militär unter ihrer Kontrolle halten, ihr Volk nicht das Sagen hat. Das ist leider die Realität, obwohl es auch politische Führungsoberhäupter gibt die gute Arbeit leisten. Aber natürlich können wir nicht der Religion oder den religiösen Oberhäuptern die Schuld für das geben, was heute passiert. Es sind definitiv die Leute, die von den Kriegen profitieren.
Original-Interview aufgenommen in Wiesbaden von Kamerafrau Patricia Peschken | Deutscher Sprecher: Jan Terstiege | Redaktionelle Bearbeitung, Übersetzung, Moderation und Schnitt: Christian Peschken für Pax Press Agency im Auftrag von EWTN und CNA Deutsch.