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Die falsche Energiewende
Die falsche Energiewende

Von Herbert W. Fischer

Es ist lachhaft zu glauben, dass Deutschland das Weltklima retten kann, indem wir alle mit E-Autos fahren und mit Wärmepumpen heizen. Wir schalten Kohle- und Kernkraftwerke ab und wundern uns, dass Solar- und Windenergie nicht ausreichen, um unsere Wohlstandsgesellschaft am Laufen zu halten. Der Versuch, allein mit regenerativen Energien made in Germany unseren Wohlstand aufrecht zu erhalten, ist zum Scheitern verurteilt.

Das Buch "Die falsche Energiewende – Die fatalen Fehler der deutschen Energiepolitik“ (ISBN 978-3-98674-099-3) nimmt die deutsche Energiepolitik auseinander. Schonungslos werden die Fehler und Versäumnisse offengelegt – fundiert und für jedermann nachvollziehbar. Seite für Seite wird deutlich, wie die durch Ideologie statt Rationalität bestimmte Energiepolitik den Wirtschaftsstandort Deutschland schwer beschädigt. Doch es bleibt nicht bei der Kritik. Immer wieder werden Wege aufgezeigt, wie sich die falsche Energiewende korrigieren lässt. Es ist noch nicht zu spät – wenn wir jetzt zügig handeln und die Weichen für eine richtige Energiewende stellen.

„Wenn der CEO eines Ölkonzerns den Vorsitz einer Klimakonferenz übernimmt, bei der die Dekarbonisierung das Ziel ist, dann hätte es der Bundesregierung besser angestanden, ihre Teilnahme unter Protest abzusagen statt mit mehr als 250 Delegierten nach Dubai zu reisen.“

Die Fokussierung der deutschen Energiepolitik auf elektrischen Strom aus erneuerbaren Energien für Industrie, Gebäude und Verkehr gleichzeitig stellt einen schweren Fehler dar. So lautet die Kernthese des neuen Buches. Die „politische Weichenstellung in Richtung einer Alles-mit-Strom-aus-erneuerbaren-Energien-Strategie, während eine dafür auch nur annähernd ausreichende Stromversorgung überhaupt nicht gewährleistet ist“, stuft Buchautor Herbert W. Fischer als „politisch unverantwortlich“ ein. Er sagt: „Es ist nicht absehbar, wo die Unmenge an Elektrizität herkommen soll, um mit Strom industrielle Großanlagen zu betreiben, im großen Stil Gebäude zu heizen und gleichzeitig immer mehr E-Autos zu laden. Deutschland befindet sich energiepolitisch auf einem Harakiri-Kurs.“

Umstellung wäre in Jahrzehnten möglich, aber nicht binnen weniger Jahre

Energieexperte Herbert W. Fischer rechnet die Fehler in seinem neuen Buch im Detail vor:

Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes wurden in Deutschland im Jahr 2023 insgesamt rund 568 Terawattstunden Strom erzeugt, davon zwei Drittel aus erneuerbaren Energien. Der elektrische Strom aus allen Quellen zusammen – fossile und erneuerbare – entspricht jedoch nur knapp einem Viertel des Primärenergieverbrauchs im Jahr 2023. Um das politische Ziel der Umstellung von Wirtschaft, Gebäuden und Verkehr auf Strom aus erneuerbaren Energien zu erreichen, wäre eine elektrische Versorgungsleistung von 11.900 Terawattstunden (TWh) notwendig. Das ist mehr als das Dreißigfache (!) des 2023 erzeugten erneuerbaren Stroms. Eine Umstellung in dieser Größenordnung ist möglicherweise über einige Jahrzehnte hinweg, aber keinesfalls binnen weniger Jahre möglich. Das gilt selbst dann, wenn man eine schnelle Erweiterung der Kapazitäten bei erneuerbaren Energien und einen zügigen Ausbau des Stromnetzes voraussetzt. „Angesichts von hunderten regionaler Bürgerinitiativen gegen den Ausbau der Stromtrassen beinahe überall in Deutschland ist eher von einem langsamen als von einem schnellen Vorankommen auszugehen“, gibt Herbert W. Fischer zu bedenken.

Bei dieser Kalkulation wird zudem der Primärenergieverbrauch des Jahres 2023 als Basis angesetzt. Doch je stärker die Industrie auf Strom als Alternative zu Öl und Gas umstellt, je mehr Gebäude mit Wärmepumpen beheizt werden und je mehr E-Autos auf den Straßen fahren, desto mehr Strom wird benötigt. „Die Schere zwischen der Bereitstellung von Strom aus erneuerbaren Energiequellen und dem Stromverbrauch wird sich in den nächsten Jahren nicht etwa schließen, wie die Politik uns weismachen will, sondern sich ganz im Gegenteil immer weiter öffnen“, schreibt Herbert W. Fischer in seinem Buch.

Unzureichende Speicherkapazitäten für Dunkelflauten

Hinzu kommt: Da erneuerbare Energieträger wie Sonne und Wind nicht zuverlässig zur Verfügung stehen (Stichwort „Dunkelflauten“), müssten im gleicher Maße Speicherkapazitäten für elektrischen Strom in Deutschland geschaffen werden. Doch in das Jahr 2024 geht Deutschland mit einer dafür nutzbaren Pumpspeicherkapazität von lediglich 40 TWh, was etwa 0,4 Prozent des gesamten Stromverbrauchs entspricht. Selbst der geplante Ausbau auf 100 TWh bis 2030 würde nicht annähernd reichen, um Dunkelflauten zu überbrücken. Thermische, chemische und biologische Speichertechnologien für elektrischen Strom befänden sich derzeit in der Forschungs- und Experimentalphase und seien von einem großflächigen Einsatz „noch Jahre, wenn nicht Jahrzehnte entfernt“, sagt Buchautor Herbert W. Fischer.

Alternative Energieformen reichen bei weitem nicht

Anhand einiger hypothetischer Berechnungen im Buch wird verdeutlicht, warum die politisch forcierte Umstellung der Energieversorgung Deutschlands auf regenerativen Strom auf absehbare Zeit mit den heute verfügbaren Technologien zum Scheitern verurteilt ist. Auf einer Schätzung des Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme basierend rechnet der Autor vor, dass selbst dann, wenn alle Dächer, Parkplätze und Freiflächen in Deutschland mit Photovoltaik belegt würden, nicht einmal 15 Prozent des Energiebedarfs des Landes damit zu decken wäre. Wollte man dies mit Windenergie erreichen, müsste man in der Bundesrepublik beinahe 330.000 Windräder aufstellen, wird in dem Buch vorgerechnet. Derzeit sind hierzulande rund 32.000 Windräder in Betrieb, also nicht einmal ein Zehntel davon.

Weitere umweltfreundliche Energieformen wie die Kraftwärmekopplung, die Nutzung von Biomasse und die Geothermie werden in dem Buch ebenfalls unter die Lupe genommen. „Diese regenerativen Energielieferanten sind langfristig durchaus vielversprechend, können jedoch kurzfristig den Energiebedarf einer Industrie- und Wohlstandsnation wie Deutschland keinesfalls decken“, sagt Herbert W. Fischer. So hätten beispielsweise Biogasanlagen im besten Fall das Potenzial, zwischen 35 und 40 TWh im Jahr zu liefern; doch das entspricht nur einem Anteil von rund 6,5 Prozent am Stromverbrauch und 0,3 Prozent am gesamten Energiebedarf Deutschlands. Geothermie, also die Nutzung der Erdwärme, hätte laut einer Studie der Europäischen Kommission das Potenzial, bis 2030 etwa acht Prozent des Gesamtbedarfs an erneuerbaren Energien (nicht des gesamten Bedarfs an Primärenergie) in der EU zu decken. Einige europäische Länder sind bei Geothermie weiter fortgeschritten als Deutschland; im Buch wird exemplarisch auf Frankreich verwiesen: Dort wird geothermische Energie beispielsweise im Großraum Paris genutzt, um Tausende von Haushalten zu beheizen und warmes Wasser zu liefern. Doch die Erde anzubohren, um die Wärme zu nutzen, ist teuer und risikoreich, heißt es im Buch. Welche Folgen fehlerhafte Geothermie-Bohrungen anrichten könnten, ist in der kleinen Stadt Staufen im Breisgau bis heute sichtbar: Dicke Risse ziehen sich durch mehr als 200 denkmalgeschützte Gebäude. Bis zu 45 Zentimeter hat sich die Altstadt gehoben, seit 2007 empfindliche Gesteinsschichten mit Grundwasser in Berührung kamen und sich plötzlich ausdehnten. „Der Vorfall erschütterte die gesamte Branche“, sagt Herbert W. Fischer und nimmt dies als Beispiel dafür, dass „mit regenerativen Energiekonzepten zwar viel experimentiert wird, aber diese noch lange keine sichere Energieversorgung gewährleisten werden.“

Deutschland versagt als Vorbild

In dem Buch wird die deutsche Energiepolitik im weltweiten Rahmen beleuchtet. Herbert W. Fischer analysiert: „Die Annahme der Bundesregierung, wenn Deutschland bei der Transformation zu erneuerbaren Energien voranschreite, werde der Rest der Welt zügig folgen, hat sich als grundfalsch herausgestellt.“ Er verweist darauf, dass 2022 der Anteil fossiler Energieträger am weltweiten Primärenergieverbrauch bei über 80 Prozent lag – der höchste Anteil seit 2013. Um das von der Internationalen Energieagentur (IEA) vorgegebene Ziel – die Reduzierung von Treibhausgasen bis 2050 auf Netto-Null – zu erreichen, müsste sich Berechnungen zufolge der Anteil fossiler Energieträger am weltweiten Primärenergieverbrauch bis dahin auf 40 Prozent halbieren. „Dafür gibt es keine Anzeichen“, sagt Herbert W. Fischer und verweist beispielhaft auf das Gastgeberland der diesjährigen UN Climate Change Conference COP 28. Er erklärt: „Die Vereinigten Arabischen Emirate sind der drittgrößte Exporteur von Erdöl und der siebtgrößte Exporteur von Erdgas. Die VAE haben sich zwar verpflichtet, bis zum Jahr 2050 die Hälfte des eigenen Strombedarfs mit erneuerbaren Energien zu decken. Dennoch werden sie auf absehbarer Zeit ein bedeutender Produzent und Exporteur fossiler Energieträger bleiben.“ Er verweist darauf, dass die VAE ihre Ölproduktion bis 2030 um über 40 Prozent erhöhen wollen. „Wenn der CEO eines Ölkonzerns den Vorsitz einer Klimakonferenz übernimmt, bei der die Dekarbonisierung das Ziel ist, dann hätte es der Bundesregierung besser angestanden, ihre Teilnahme unter Protest abzusagen statt mit mehr als 250 Delegierten nach Dubai zu reisen“, urteilt Buchautor Herbert W. Fischer.

Die Atomstrategie Frankreichs – in dem Nachbarland ist der Bau von mehr als 14 Kernkraftwerken bis 2050 geplant – bezeichnet Fischer als „schallende Ohrfeige“ für die deutsche Energiewende. „Fast überall auf der Welt werden grundlastfähige Energieformen wie Öl, Gas und Kernkraft ausgebaut, aber Deutschland versucht auf Biegen und Brechen mit Sonne und Wind auszukommen“, sagt er, und befürchtet „das wird nicht gutgehen“.

Wasserstoffstrategie ist ungewiss

Zwar hat die Bundesregierung 2023 für die Zukunft „eine neue Generation von wasserstoff­betriebenen Kraftwerken“ in Aussicht gestellt, um die Dunkelflauten zu überbrücken, räumt Herbert W. Fischer ein. „Doch ob die groß angekündigte Wasserstoffstrategie überhaupt aufgeht, steht längst noch nicht fest“, kritisiert er. Es gäbe zwar knapp 100 Wasserstoffkraftwerke rund um den Globus, aber die meisten davon befänden sich noch im Testbetrieb oder in der Erprobungsphase und lieferten nur wenige Megawatt Leistung. Die bislang in Deutschland errichteten Wasserstoffkraftwerke könnten mit ihrer Gesamtleistung von rund 25 Megawatt nur etwa 240.000 Haushalte mit ausreichend Energie versorgen, hat er berechnet. Das entspräche knapp 0,6 Prozent aller rund 40,9 Millionen bundesdeutschen Haushalte.

Kardinalfehler der deutschen Energiepolitik

Als Kardinalfehler der deutschen Energiepolitik wird im Buch angeprangert, dass das Land aus grundlastfähigen Energieträgern wie Kohle, Öl, Gas und Kernkraft ausgestiegen sei, ohne zuvor die für eine stabile Versorgung notwendigen Ressourcen für regenerative Energien aufzubauen. „Der Ausstieg war zu schnell, der Einstieg zu langsam“, bringt es Herbert W. Fischer auf den Punkt.

Doch das Buch thematisiert nicht nur die Fehler der Energiewende, sondern auch die Folgen. Dazu zählt der Autor eine weitere deutliche Verteuerung der Energiekosten für die Bevölkerung, die zumindest zeitweise Rationalisierung der Stromversorgung für bestimmte Geräte oder Sektoren wie Wärmepumpen oder E-Mobilität, eine Abwanderung energieintensiver Fertigungsbetriebe mit entsprechendem Verlust der Arbeitsplätze und den Import von immer mehr Strom aus fossilen und atomaren Kraftwerken. „Ganze Branchen wie etwa die Chemie, die Metallverarbeitung und die Automobilindustrie haben längst begonnen, ihre Pläne für den Abbau von Fertigungskapazitäten in Deutschland aus der Schublade zu holen“, hat Frank W. Fischer bei den Recherchen zu seinem neuen Buch festgestellt.

Wege aus der Energiemisere

Über die Kritik hinaus zeigt der Autor konkrete Wege aus der Misere auf. So stellt er beispielsweise klar, dass die 2005 erstmals eingeführte CO2-Bepreisung durch das Europäische Emissionshandelssystem (EU ETS) „bemerkenswert gut“ funktioniert. Dabei legt die EU eine Obergrenze für die Emissionen fest, und die Unternehmen müssen für jede Tonne CO2, die sie ausstoßen, ein Zertifikat besitzen. „Durch den Handel mit Emissionszertifikaten entsteht ein Markt­preis für CO2, der Anreize für Unternehmen schafft, ihre Emissionen zu reduzieren“, hebt Herbert W. Fischer den marktwirtschaftlichen Charakter des größten Emissionshandelssystem der Welt hervor. Im Buch nennt er viele weitere Maßnahmen und Systeme, die dem Klimaschutz dienen und umsetzbar sind.

Dabei kommt auch die friedliche Nutzung der Kernkraft zur Sprache, die angesichts der auf der COP28 verkündeten „Atom-Allianz“ von 22 Staaten an Aktualität gewonnen hat. Während Deutschland auf der Konferenz für eine verbindlich Einigung warb, die Energie aus Sonne, Wind und Wasser bis 2030 zu verdreifachen, kündigten unter anderem die USA, Frankreich, Großbritannien, Belgien, Finnland, Japan, Polen, Schweden und die Ukraine eine Verdreifachung der Atomenergie bis 2050 an. Buchautor Herbert W. Fischer skizziert dazu zwei Szenarien: die Verbreitung kompakter modularer Atomkraftwerke, die wie am Fließband produziert werden können und „eher Maschinen als Bauwerke sind“, sowie Fusionsreaktoren, die möglichweise im nächsten Jahrzehnt zum Einsatz kommen könnten. „Auf sehr lange Sicht betrachtet scheint sogar die Etablierung eines Fusionskraftwerks im Weltraum nicht ausgeschlossen“, heißt es im Buch weit in die Zukunft blickend. Deutschland dürfte bei dieser Zukunft allerdings keine Rolle spielen, weder bei der Raumfahrt- noch bei der Kernkrafttechnik.

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