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Donald Trump
Donald Trump – Schwere Zeiten für die  UNO

Unter dem neuen US-Präsidenten Donald Trump wird das Gedeihen der Vereinten Nationen nicht leichter werden – ganz im Gegenteil. Der Egomana hat schon in seiner ersten Amtszeit allzu deutlich gemacht, was er von der UNO hält: nichts.

Abkehr der USA von der UNO ist nicht neu

Diese Abkehr von der UNO ist keineswegs neu. Die Vereinigten Staaten von Amerika, einst überaus stolze Mitbegründer der UNO – immerhin hielt der damalige US-Präsident Harry S. Truman 1945 sowohl die Eröffnungs- als auch Gründungsrede –, setzten sich im Laufe der Jahre immer mehr von den Vereinten Nationen ab. Man kann das auf ein Vergessen der 50 Millionen Toten des Zweiten Weltkriegs zurückführen. Man kann es auch dem nicht nur in den USA um sich greifenden nationalstaatlichen Denken seit 2015 und dem Rechtsruck der Welt zuschreiben. Man kann aber auch die unübersehbaren Schwächen der Vereinten Nationen als Grund für die Abkehr der USA von der UNO ins Auge fassen. Ein gutes Beispiel hierfür stellt der Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen dar.

Die Regierung von US-Präsident George W. Bush stimmte 2006 – also lange, bevor der Egozentriker Donald Trump erstmals das Amt übernahm – gegen die Gründung des Menschenrechtsrats. Zu dieser Zeit war John Bolton amerikanischer Botschafter bei den Vereinten Nationen, ein besonders harscher Kritiker der UNO. Später wurde Bolton nationaler Sicherheitsberater von US-Präsident Trump, dem seine „America first“-Strategie ohnehin über jedweden Multilateralismus ging.

Es wäre jedoch wohl zu einfach, die Ablehnung des UNO-Menschenrechtsrats durch die USA einfach dem amerikanischen Nationalismus zuzuschreiben. Tatsächlich weist der 2006 ins Leben gerufene Rat gravierende Strukturschwächen auf. So wählt die UNO-Vollversammlung die 47 Mitglieder des Men­schen­rechtsrates für jeweils drei Jahre. 2019 gehörten dazu unter anderem Kuba, der Kongo und Venezuela, drei Länder, in denen Menschenrechtsorganisationen immer und immer wieder äußerst schwerwiegende Verstöße gegen die Menschenrechte an­prangern. Wenn vorsichtig ausgedrückt, Verdächtige auf der Richterbank sitzen, um Verdächtigungen überall auf der Welt nachzugehen, muss man in der Tat die Sinnhaftigkeit einer solchen Institution ernsthaft in Frage stellen. Immerhin handelt es sich bei den Menschenrechten um eines der Kernthemen der Vereinten Nationen; jede diesbezügliche Schwäche trifft die gesamte Organisation ins Mark.

Schon 2017 mahnte die damalige UNO-Botschafterin der USA, Nikki Haley, bei einem Treffen in Genf drei Reformen an. Sie forderte, dass der Rat seinen Fokus auf Israel verringern müsse. Sie wollte auch die nötige Stimmzahl reduzieren, um Mitglieder bei eklatanten Menschenrechtsverstößen auszuschließen. Zudem sollte es weniger Reden und Resolutionen geben.[i] In den ersten beiden Punkten fand sich keine Mehrheit. Immerhin resultierte aus dem letzten Punkt eine Arbeitsaufgabe: Der Menschenrechtsrat befasste sich damit herauszufinden, wie er in Zukunft weniger reden und weniger Papier beschreiben will. Der ins Auge gefasste Bürokratieabbau wird dem Rat, so er denn gelingt, sicherlich guttun. Aber an der fundamentalen Schwäche, dass Staaten, die andauernd schwere Menschenrechtsverletzungen begehen, dem Gremium auch weiterhin an­gehören, ändert sich damit nichts. Schlimmer noch: Für die Abschaffung dieser geradezu absurden Situation fand sich in der UNO bis 2024 keine Mehrheit.

Menschenschinder im Menschenrechtsrat

Oder anders ausgedrückt: Die Vereinten Nationen bestehen weiterhin darauf, dass Menschenschinder dem Weltgremium angehören, das gegen Menschenschinder überall auf der Welt vorgehen soll. Das ist selbst für Freunde und Verfechter der UNO schwer zu begreifen und hält auch dem Generalargument „Die UNO ist alles andere als perfekt, aber es gibt nichts besseres“ nur schwerlich stand.

Unter US-Präsident Barack Obama waren die Vereinigten Staaten im Menschenrechtsrat zwar noch aktiv, aber im Sommer 2018 verkündete die Trump-Regierung den Austritt der USA aus dem Menschenrechtsrat. Auf einer Pressekonferenz in Washington bezeichnete die UNO-Botschafterin der USA, Nikki Haley, den UNO-Menschenrechtsrat als eine „Jauchegrube der politischen Voreingenommenheit“. Sie stellte klar, dass die USA nicht länger dieser „heuchlerischen und eigennützigen Organisation“ angehören wollten, welche „die Menschenrechte zum Gespött machen“. Ihre ein Jahr zuvor vorgeschlagenen Re­formen des Gremiums sah sie mittlerweile als gescheitert an: „Diese Reformen waren nötig, um den Rat zu einem ernsthaften Verfechter für Menschenrechte zu machen“. Der Rat sei „zu lange ein Beschützer“ derjenigen Länder gewesen, die gegen Menschen­rechte verstoßen hätten. Es sei offensichtlich, „dass unsere Rufe nach Reformen nicht beachtet wurden.“

Nun ist der Ruf nach fundamentalen Reformen bei den Vereinten Nationen nicht neu – schon der ehemalige UNO-Generalsekretäri Kofi Annan schlug 1997 (!) eine grundlegende Reform der Organisation vor. Im März 2005 stellte er ein umfassendes Reform- und Politikprogramm vor. In seinem Bericht „In größerer Freiheit“ ging er auf Themen wie Terrorismus, Entwicklungsfinanzierung, Erweiterung des Sicherheitsrats und die Ablösung der Menschenrechtskommission ein. Doch die Wahrheit gebietet die Feststellung, dass Annans Reformbemühungen weitgehend erfolglos verpufft sind: Die Vereinten Nationen haben leider zu einer Art Monsterbürokratie entwickelt, die sich scheinbar um wirklich alles kümmert, aber nur auf wenigen Gebieten etwas bewirken kann. Indem die Organisation den Namen „United Nations Organisation“ (UNO) abzustreifen versuchte und sich gerne nur nur noch als „United Nations“ (UN) bezeichnet, mag sie den organisatorisch-bürokratischen Aspekt sprachlich verdrängt haben, aber wer regelmäßig mit den Vereinten Nationen zu tun hat, weiß, dass sie vor allem eines ist: bürokratisch. Alle Versuche, diese Bürokratie durch Reformen zurückzudrängen oder zu minimieren, sind bis heute gescheitert – und das deutet sich leider auch für den Reformplan von 2024 an.

Zukunftspaket mit wenig Zukunftsaussichten

Auf der UNO-Generalversammlung 2024 wurde unter der Federführung von Deutschland und Namibia ein neuer Versuch unternommen, die Vereinten Nationen einer Reform zu unterziehen. Der Anspruch des sogenannten Zukunftspakts ist hoch: Er soll die United Nations fit machen für die Probleme des 21. Jahrhunderts. Der Pakt enthält rund 50 Aktionspunkte, von der Bekämpfung von Hunger und Armut über die Friedensmissionen der UN bis hin zur Ablehnung des Wettrüstens im Weltall und der Forderung nach einer globalen Regulierung der Künstlichen Intelligenz. Die Initiative zur erneuten Reformierung hatte Generalsekretär António Guterres drei Jahre zuvor, 2021, ergriffen. Das von Deutschland und Namibia umgesetzte Reformpaket lobt er dementsprechend als „wichtigen Schritt, um die internationale Zusammenarbeit zu reformieren“ und betonte in New York: „Wir sind hier, um den Multilateralismus vor dem Abgrund zu retten.“ Doch tatsächlich ist der Zukunftspakt von 2024 wohl in allererster Linie dazu gedacht, die UN selbst vor dem Abgrund zu bewahren. Denn wie realistisch ist es, dass die USA oder China ihre Aktivitäten im Weltraum oder ihre KI-Forschung den Wünschen der Staatengemeinschaft unterwerfen – eher unwahrschein­lich, zumal mit dem neuen US-Präsidenten Donald Trump.

50 Jahre alter Plan

Der Plan sieht auch deutliche Veränderungen in der internationalen Finanzarchitektur, also bei Weltbank und Internationalem Währungsfonds IWF vor, so dass die Länder des globalen Südens einfacher an Kredite kommen sollen. Doch genau das hatten die wirtschaftlich weniger entwickelten Länder bereits vor 50 Jahren versucht – vergeblich. In einer UN-Sondergeneralversammlung wurde 1974 die „Erklärung über die Errichtung einer neuen Weltwirtschaftsordnung“ angenommen, ergänzt durch eine „Charta der wirtschaftlichen Rechte und Pflichten der Staaten“. In dieser Erklärung einigte man sich auf faire Preise für die Dritte Welt, die stufenweise Beseitigung von Handelshemmnissen, um für die Entwicklungsländer den Zugang zu den Märkten der Industrieländer zu erleichtern, und eine kräftige Aufstockung der Entwicklungshilfe.

„Neue Ordnung“ nur auf dem Papier

Alle Länder stimmten dieser „neuen Ordnung“ zu, auch die Industrienationen. Daher gingen die Entwicklungsländer in den 1970er Jahren fest davon aus, über die Vereinten Nationen den Anschluss an den Wohlstand der westlichen Industriewelt zu erreichen. Es entpuppte sich als ein gewaltiger Irrtum und eine maßlose Ent­täuschung für die Entwicklungsnationen, als sie in den Folgejahren erkennen mussten, dass die Verabschiedung der Charta zwar gut gemeint, aber keineswegs ernst gemeint war. Denn als es zur Sache ging, ließ der Westen seinem Verhandlungsgeschick freien Lauf und drehte die Geldhähne kaum auf. Bei der Weltbank, im Internationalen Währungsfonds und im Allgemeinen Zoll und Handelsabkommen (GATT) gab es einige wenige vernachlässigbare Zugeständnisse der Industrienationen, aber die erwartete Strukturveränderung im Welthandelssystem blieb aus. Eine „neue Weltwirtschafts­ordnung“ entstand nur auf dem Papier der Vereinten Nationen, aber eben nicht in der Realität.

Kleinster gemeinsamer Nenner

UNO-Generalsekretär António Guterres hatte wohl durchaus eine ehrgeizige Reformagenda im Sinn, als er die Initiative zur Reformierung der Vereinten Nationen anstieß. Aber am Ende haben sich die Mitgliedsstaaten nur auf den „kleinsten gemeinsamen Nenner“ einigen können – und es bleibt abzuwarten, ob der Zukunftspaket die 30 Seiten Papier wert ist, auf denen er niedergeschrieben wurde. Zumal unterstellt werden darf, dass US-Präsident Donald Trump diesen Plan nicht einmal zur Kenntnis nehmen wird.