Thought Leadership

Von DC Mitglied Klaus-Peter Stöppler*
Die Bauwirtschaft wird häufig unterschätzt. Dabei steht Bauen für rund 2,6 Millionen Arbeitsplätze, 13 Prozent des Bruttoinhaltsprodukts, etwa 40 Prozent der CO2-Emissionen, gut ein Drittel des Energie- und die Hälfte des Ressourcenverbrauchs, fast 60 Prozent des Abfallaufkommens, über 50 Prozent der Flächenversiegelung und mehr als 80 Prozent der Infrastruktur Deutschlands. Zudem prägen Immobilien maßgeblich unseren sozialen Lebensraum und gefährden bei Fehlentwicklungen – Stichwort Wohnungsnot – den sozialen Zusammenhang unserer Gesellschaft.
Gemessen am wirtschaftlichen, ökologischen und sozialen Fußabdruck zählt die Baubranche damit neben der Automobilindustrie, dem Gesundheitswesen, dem Maschinenbau und dem Einzelhandel zu den wichtigsten Wirtschaftszweigen Deutschlands. Kein anderer Wirtschaftszweig beeinflusst Ressourcen, Klima und Flächennutzung so stark. Die Baubranche ist essenziell für Wohnraum und Wirtschaftswachstum.“
Maßnahmen zur Bekämpfung der Wohnungsnot
Trotz ihrer hohen Bedeutung wird die Bauwirtschaft von der Politik stiefmütterlich behandelt. Daher sei an Appell an die neue Bundesregierung gerichtet, dem Bausektor die gebotene Aufmerksamkeit zu schenken, nicht nur in den Koalitionsvereinbarungen, sondern vor allem in der Umsetzung. So sollten schleunigst Maßnahmen ergriffen werden, um die aktuelle Wohnungsnot zu bekämpfen. 2024 waren nur etwa 250.000 statt der geplanten 400.000 neuen Wohnungen fertiggestellt worden. Wenn sich nichts ändert, ist für 2025 eher ein nochmaliger Rückgang zu erwarten.
Dazu einige Anregungen für Belebungsmaßnahmen: Vereinfachung des Baurechts, höhere Abschreibungen, Senkung der Grunderwerbsteuer und eine deutliche Digitalisierung der Bauämter, um Genehmigungsverfahren zu beschleunigen. Ein Beispiel: Eine bundesweite Typengenehmigungen für serielles Bauen würde den Wohnungsbau massiv ankurbeln. Serielles Bauen bezeichnet eine Bauweise, bei der standardisierte, vorgefertigte Bauelemente oder Module in Serie produziert und vor Ort effizient zusammengesetzt werden. Allein dadurch könnte die Bauzeit um bis zu 50 Prozent verkürzt werden.
Umsetzung des Bundesverkehrswegeplans 2025
Auf der Infrastrukturseite ist für eine konsequente Umsetzung des Bundesverkehrswegeplans 2025 und die Sicherstellung einer langfristigen Finanzierung zu plädieren. Es sei verwiesen auf Schätzungen, wonach sich der Investitionsstau bei den Kommunen auf 186 Milliarden Euro belaufen soll.
Dieser Stau muss dringend aufgelöst werden, um Deutschland mit einer Infrastruktur auszustatten, die unser Land international wieder wettbewerbsfähiger macht – die Bedeutung dieser Maßnahmen gehen also weit über die Baubranche hinaus. Ein Teil des neuen 500-Milliarden-Euro-Sondervermögens wäre in einer Modernisierungsoffensive bei Brücken, Straßen und Schienen gut angelegt.
Wirtschaft muss sich ebenfalls anpassen
Nicht nur die Politik, die Bau- und Immobilienwirtschaft muss sich ebenfalls wandeln, um den Herausforderungen gewachsen zu sein. Ein Beispiel ist der verstärkte Einsatz von Künstlicher Intelligenz (KI) im Bauprojektmanagement. KI kann die Planung, Überwachung und Ausführung von Bauprojekten signifikant steigern und zugleich die Kosten deutlich reduzieren. Indes ist die KI-Penetration in der Bauwirtschaft derzeit noch verschwindend gering.
Die Bauwirtschaft darf jetzt nicht den Fehler machen, auf die staatlichen Förderprogramme zu starren wie das Kaninchen auf die Schlange, sondern sie muss sich selbst modernisieren, um an Effizienz zu gewinnen.
* Klaus-Peter Stöppler zählt zu den zehn renommiertesten Executive Interim Managern Deutschlands (laut United Interim, der führenden Community für Interim Manager) im deutschsprachigen Raum mit über 35 Jahren Erfahrung in den Branchen Bauwirtschaft, Immobilien, Energie und Industrie. Er begleitet mittelständische Unternehmen als permanenter Beirat oder als Interim Manager auf Zeit. Seine Expertise umfasst Bauprojektmanagement, Unternehmensrettung und strategische Beratung. Klaus-Peter Stöppler ist Mitglied der Denkfabrik Diplomatic Council mit Beraterstatus bei den Vereinten Nationen. Er gehört zum kleinen Kreis der Verfasser des vielbeachteten „Wirtschaftsreport 2025“.