Auf Einladung der Präsidentin des Diplomatic Council Schweiz, Sonja D‘Angelo, haben sich Unternehmer auf dem DC Zukunftsgipfel in Zürich zusammengefunden, um von DC Mitglied und Zukunftsforscher Lars Thomsen zu erfahren, was in den nächsten zehn Jahren passieren wird. Die Prognosen und Diskussionen erwiesen sich als inspirierend, erschreckend, Mut machend und zum Nachdenken anregend. Klar wurde: Zehn Jahre erscheint eine kurze Spanne, wenn man zurückblickt („wie ist die Zeit verflogen“), aber eine lange Zeitspanne, wenn man nach vorne schaut („wer weiß schon, was in zehn Jahren passiert“).
Wer hätte im Jahr 2008 ernsthaft geglaubt, dass jeder Mensch einen Computer besitzt, der über mehr Rechenleistung verfügt als der NASA für die bemannte Raumfahrt zum Mond zur Verfügung stand, dass jeder Mensch ein Fernsehstudio mit größerer Reichweite als die meisten Regionalsender besitzt, oder dass soziale Netzwerke mehr „Bewohner“ haben als viele Staaten? Wer hätte sich vorstellen können, dass alle diese Errungenschaften für die Menschen zu minimalen Kosten verfügbar sind? 2008 lag der Marktanteil von Smartphones bei unter 1 Prozent. Es bedurfte viel Weitsicht, die heutige Allgegenwart von Smartphones vorauszusagen.
Lars Thomsen stellte sein Konzept der Tipping Points vor. Es ist der Zeitpunkt, an dem wir einen Umbruch erleben. Dieser Umbruch bahnt sich in der Regel lange vorher an, aber er ist unglaublich schwer zu erkennen. „Wenn der Trend offensichtlich wird, ist es zu spät“ lautet die Erkenntnis. Das wertvollste Unternehmen der Welt, Apple, und insbesondere sein kongenialer Gründer Steve Jobs, hatten den Tipping Point für Smartphones lange vorhergesehen, darauf hingewirkt, entscheidend mitgestaltet und schafften es daher, genau zum richtigen Zeitpunkt das Momentum des Tipping Points mit dem passenden Produkt für sich zu nutzen.
Zukunftsforscher Lars Thomsen spricht vom „Popcorn-Effekt“. Wenn Mais erhitzt wird, passiert eine ganze Weile lang gar nichts. Wer diese Entwicklung linear fortschreibt, kommt zu der Erkenntnis, dass Popcorn keine Zukunft hat, ja, dass es Popcorn gar nicht gibt. Aber sobald die richtige Temperatur erreicht ist, fangen die Maiskörner im Sekundentakt an sich in Popcorn zu verwandeln, die Entwicklung verläuft exponentiell. Genauso verhält es sich, wenn ein Trend seinen Tipping Point erreicht.
Wann ist der Popcorn-Effekt bei künstlicher Intelligenz erreicht? Ganz einfach: Wenn die künstliche Intelligenz überwiegend bessere Entscheidungen trifft als die menschliche. Daher lautet eine der wichtigsten Prognosen des Abends: Wir werden viele Probleme der Zukunft nicht mit menschlicher Intelligenz lösen, sondern mit künstlicher Intelligenz (KI). KI-Lösungen haben den entscheidenden Vorteil, dass sie faktenbasierter und objektiver als menschliche Meinungen sind, die stets von Überzeugungen und Interessen beeinflusst sind.
Wann ist der Tipping Point bei E-Mobilität erreicht? Wiederum einfach: Wenn ein E-Auto besser und billiger ist als ein herkömmliches Auto – und zwar für Hersteller und Käufer.
Die permanente gedankliche Austausch mit Menschen ist die beste Methode, um zu erkennen, wann ein Tipping Point ansteht. „Deshalb bin ich dem Diplomatic Council beigetreten“, bekennt der Zukunftsforscher. Je eher wir einen Tipping Point erkennen, desto früher können wir uns darauf vorbereiten, sei es, um ihn unternehmerisch zu nutzen, aber eben auch, um unsere Gesellschaft auf die damit verbundenen Veränderungen vorzubereiten. Lars Thomsen sagt: „Die entscheidende Frage bei jeder Umwälzung ist: Wie gehen wir damit um und wo bleibt der Mensch? Bedenken wir: Die Zukunft ist kein vorgegebenes Schicksal, sondern wir können sie gestalten.“
"Wenn wir uns in zehn Jahren wiedersehen, wird sich allein unsere Arbeitswelt grundlegend geändert haben“, postulierte Lars Thomsen auf dem Zürcher Zukunftsgipfel. Die Arbeitszeit wird eine immer geringere Rolle spielen, das Talent in den Vordergrund drängen. Die Trennung zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern wird an Bedeutung verlieren, weil Unternehmen zunehmend als Wertegemeinschaften wahrgenommen werden, denen die Menschen beitreten. Immer mehr junge Menschen gehen zu bestimmten Firmen, weil diese „tolle Sachen machen“ und weil sie dabei „mitmachen“ wollen. Sie wollen Teil von etwas sein, das etwas Großartiges erschafft.
Zehn Jahre sind 520 Wochen von heute an. Es ist zwingend notwendig, konzeptionell nach vorne zu denken statt nur die heutigen Tagesfragen abzuarbeiten. Unsere Gesellschaft muss über die richtigen Themen sprechen und ein Think Tank wie das Diplomatic Council hat die Aufgabe, diese Themen zu setzen. Die Gemeinschaft der DC Mitglieder steht in der Verantwortung, an der Gestaltung der Zukunft der Menschheit mitzuwirken. Wir arbeiten an der Frage, wohin wir gehen wollen. Wissend um die Begrenztheit unserer Ressourcen und um die Unwägbarkeit der Zukunft, wollen wir dennoch gestalten statt uns zu ergeben.
Wenn wir alle weniger arbeiten und 120 Jahre alt werden: Was machen wir mit der ganzen Freizeit? Unser Leben wird einfacher, angenehmer und sicherer. Das gilt hoffentlich nicht nur (aber immer noch) für die Menschen in den heutigen Industrienationen, sondern auch für die Milliarden von Menschen, die in Gegenden und Gesellschaften leben, die heute von bitterer Armut, Hunger, Krankheit und Gewalt geprägt sind. Bedenken wir: Kein Mensch hat es in der Hand, wann und wo er geboren wird, obgleich genau dies sein ganzes Leben entscheidend bestimmt.
Aber egal, wo wir leben: Wir Menschen haben das Potential, Kreativität und Mut zu zeigen. Ein Teil von uns hat die Kreativität, Visionen zu entwickeln, die unvorstellbar erscheinen. Und ein Teil davon hat den Mut, eine solche Vision zu ihrer eigenen Mission zu machen. In diesem Sinne versteht sich das Diplomatic Council als Wertegemeinschaft von Menschen, die gemeinsam Visionen entwickeln und gemeinsam auch den Mut haben, diese zu unserer Mission zu machen, sich weltweit Gehör zu verschaffen und damit wesentliche Beiträge zur Gestaltung unserer Zukunft zu leisten.