Thought Leadership

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KI in Baden-Baden
KI am Wendepunkt

Als der Verbrennungsmotor die Dampfmaschine abgelöst hat, ermöglichte dies zwei Erfindungen, die die Welt verändert haben: das Flugzeug und das Automobil. Ähnlich verhält es sich mit der Künstlichen Intelligenz, die heute sukzessive die althergebrachte Informationsverarbeitung ablöst. Die ersten Computer wurden damals zwar schon „Elektronengehirne“ genannt, aber erst die heutigen und vor allem künftigen neuronale Netze weisen Ähnlichkeiten mit dem menschlichen Denken auf.

Das entscheidend Neue an neuronalen Netzen besteht darin dass sie Querverbindungen ziehen und dadurch abstrahieren können. Das unterscheidet neuronale KI vom althergebrachten Maschinenlernen, das im Grunde nur auf Statistik basierte. Es ist dieses Abstraktionsvermögen, das der Künstlichen Intelligenz künftig ermöglicht, Entscheidungen eigenständig zu fällen, die wir Menschen nicht mehr in jedem Fall nachvollziehen können. Man weiß also schlichtweg nicht mehr, warum sich eine Maschine so und nicht anders entscheidet.

Einer der größten Irrtümer der KI besteht in dem Irrglauben, dass Künstliche Intelligenz nicht kreativ sein könnte. Das Gegenteil ist der Fall. Indem man zwei neuronale Netze gegeneinander antreten lässt, wird ein Kreativitätspotenzial freigesetzt, das der menschlichen Kreativität nicht nachsteht.

Mit zunehmende Miniaturisierung der Elektronik wird die Leistung der Künstlichen Intelligenz auf Basis neuronaler Netze in den nächsten Jahren rapide zunehmen. Wahrscheinlich werden Maschinen um das Jahr 2035 herum in der Lage sein, alles zu denken, was wir Menschen auch denken können.

Ein weiterer großer Irrtum besteht darin, Künstliche Intelligenz per se als neutral und objektiv einzustufen. Das ist vollkommen falsch. Eine Künstliche Intelligenz kann genauso manipuliert und korrumpiert werden wie ein Mensch, allerdings mit anderen Maßnahmen. Eines der eindrucksvollsten und erschreckendsten Beispiele hierfür stellt der Twitter-Bot Tay von Microsoft dar. Als freundliche KI-Gestalt hatte Microsoft Tay geschaffen, um „lässige und spaßige Unterhaltungen“ zu führen. Es war eine Hülle, ohne eigene Meinung. Binnen kurzer Zeit wurde Tay von Radikalen und Extremisten im Netz mit Meinungen derart intensiv gefüttert, dass sich die KI zur Gift und Galle spuckenden  rassistischen Furie entwickelte, die Hitler verehrt, den Holocaust leugnet und den Rassenkrieg predigt. Entsetzt schaltete Microsoft ab.

Zurückgeblieben ist das dumpfe Gefühl, dass Künstliche Intelligenz, wenn sie falsch zum Einsatz kommt, ein großes Zerstörungspotenzial mit sich bringt, verbunden mit der Gefahr, dass es möglicherweise irgendwann zu spät sein könnte, um sie abzuschalten, wie es bei Tay möglich war.

Wir stehen daher jetzt an einem Wendepunkt, an dem wir darüber entscheiden, ob Künstliche Intelligenz nützlich für die Menschen wird oder die Menschheit bedroht. Darum kreist eine Vielzahl von Fragen, etwa auch die, was wir Menschen eigentlich noch tun, wenn die Maschinen besser denken als wir, und noch weitergehender: Was geschieht mit uns Menschen, wenn wir uns selbst überflüssig machen.