Thought Leadership
Erkenntnisse aus dem Dinner & Discussion mit RA Dr. Thomas Lapp und Andreas Dripke, beides langjährige Mitglieder im Diplomatic Council
Wir alle hinterlassen tagtäglich unsere digitalen Fingerabdrücke. Diese Information ist für jeden interessierten Zeitgenossen keine Neuigkeit. Was wir jedoch unterschätzen, ist das Ausmaß der Datenerfassung und welche Schlussfolgerungen sich aus unseren persönlichen Daten ziehen lassen. Beides ist schlichtweg gigantisch.
Google weiß mehr über uns als unser Lebenspartner
Wir vertrauen der scheinbaren Anonymität des Internets und geben unsere geheimsten Wünsche preis, indem die Suchmaschine Google dazu nutzen, um danach suchen. Was wir häufig nicht bedenken: Seit über 20 Jahren sammelt dieser Digitalkonzern alle unsere Eingaben und verknüpft sie zu einem persönlichen Dossier über uns mit einem Detaillierungsgrad, von dem die ehemalige Stasi nur träumen konnte. Doch damit ist die Auskunftskette über uns noch lange nicht zu Ende. Als US-Unternehmen ist Google gesetzlich gezwungen, den amerikanischen Behörden Zugang zu allen Daten zu geben. Dadurch besitzen die USA also längst sämtliche Informationen über jeden einzelnen von uns oder mit anderen Worten: Von jedem Google-Nutzer ist auf US-amerikanischen Rechnern ein entsprechendes Dossier vorhanden. Und weiter geht´s: In einem als „top secret“ eingestuften „Information Paper“ des US-Geheimdienstes NSA mit dem Titel „NSA Intelligence Relationship with Germany – Bundesnachrichtendienst (BND)“ vom 17. Januar 2013 heißt es unverblümt: „2012 begrüßte die NSA den Eifer von BND-Präsident Schindler, die bilaterale Kooperation zu stärken und zu erweitern...“. So landet unser Dossier in Deutschland, von der Google-Eingabe bis zum Bundesnachrichtendienst. Ganz nebenbei ist Google durch den Verkauf unseres Dossiers an andere Unternehmen zum größten Werbekonzern der Welt aufgestiegen. Staat und Wirtschaft arbeiten Hand in Hand, um uns auszuspionieren, zu beobachten und mit unseren persönlichsten Gefühlen, Wünschen und Träumen Geld zu verdienen.
Die USA regieren die digitale Welt - weltweit
Google ist natürlich kein Einzelfall. Amazon, Facebook, Instagram, WhatsApp, YouTube... alle sammeln sie über uns so viele Daten, wie sie nur bekommen können. Und bei all diesen Unternehmen handelt es sich um US-amerikanische Konzerne. Im Frühjahr 2018 unterzeichnete US-Präsident Donald Trump den so genannten „Cloud Act“, mit dem sich die amerikanische Regierung selbst das Recht einräumt, bei Bedarf auf alle digitalen Informationen der Weltbevölkerung jederzeit zuzugreifen.
Unsere biometrischen Daten sind unsicher
Also das Internet abschalten und das Smartphone wegwerfen, um wieder mehr Privatsphäre zu besitzen? Das wäre vielleicht eine Möglichkeit, doch jetzt mal ganz ehrlich: Wer macht das schon? Und selbst wenn: Jeder, nach dem 1. November 2010 ausgestellte Personalausweis oder Reisepass, ist mit einem Chip ausgerüstet, der unsere Fingerabdrücke und unser Gesicht per Funk verteilt. Hacker haben längst gezeigt, wie sie die Passdaten auf eine Entfernung von mehreren Metern abfangen und binnen weniger Stunden entschlüsseln können. Unser Gesicht ist auf den Ausweisen biometrisch gespeichert, das heißt, dass es von Software zur Gesichtserkennung automatisch identifiziert werden kann. Wer unsere Daten einmal hat, für den ist der Diebstahl unserer Identität ein Leichtes. Die EU-Grenzschutzagentur gibt „einige Fälle von gefälschten Pässen mit einem manipulierten Chip“ zu. Im Darknet, dem illegalen Internet, ist längst ein florierender Handel mit Millionen gestohlener Identitäten im Gange. Die größte biometrische Datenbank der Welt mit 1,2 Milliarden Personen gilt seit spätestens August 2018 als unsicher.
In welcher Gesellschaft wollen wir leben?
Dabei geht es keineswegs lediglich um Technologien, die unsere Zukunft bestimmen werden, sondern vor allem auch um die Gesellschaftsmodelle, die sich daraus ableiten. Es geht um die Frage, in welcher Gesellschaft wir leben wollen. Wie viel Vertrauen setzen wir in die allumfassende Digitalisierung unserer Welt? Wie viel Freiheitsverlust ist uns unsere Sicherheit wert? Wie können wir den Schutz unserer Privatsphäre fordern, wenn wir selbst beinahe unser ganzes Leben in den sozialen Netzwerken ausbreiten?
Künstliche Intelligenz kennt uns besser als wir selbst
Die tägliche Erfassung unserer persönlichen Daten macht uns längst zu gläsernen Bürgern. Die Behörden und die Digitalkonzerne wissen heute schon häufig mehr über uns als unsere Lebenspartner. Doch das ist erst der Anfang. Wir geraten dadurch in eine Abhängigkeit von der digitalen Welt, die bereits unseren Alltag bestimmt. Der Schritt von dieser Abhängigkeit zur Bevormundung ist klein. Wenn uns die digitalen Systeme besser kennen wir uns selbst, dann können sie dank künstlicher Intelligenz besser voraussagen, was gut für uns ist. Mitunter sogar besser, als wir selbst es je könnten. Wollen wir das wirklich? Wenn uns am Ende die künstliche Intelligenz vorschreibt, wie wir unser Leben führen sollen, dann haben wir etwas falsch gemacht. Dagegen müssen wir uns wehren.
Wer mehr wissen will, kann sich im Buch "Stasi 2.0" informieren, das im Diplomatic Council Verlag erschienen ist.