Thought Leadership

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Dr. Heinrich Kreft
Transatlantische Beziehungen unter US-Präsident Joe Biden

Eine Analyse von Botschafter Dr. Heinrich Kreft, langjähriges Mitglied im Präsidium des Diplomatic Council, Leiter des Zentrums für Diplomatie an der Andrássy University Budapest (AUB) in Ungarn sowie Inhaber der Professur und des Lehrstuhls für Diplomatie an der AUB.

Die US-Wahl 2020 am 3. November war ein Wahldrama, denn noch nie zuvor hatte es solange gebraucht, bis das Ergebnis einer Präsidentenwahl in den Vereinigten Staaten von Amerika feststand. Als sich das Ergebnis endlich klar abzeichnete, war zwar der Jubel in vielen, nicht in allen, europäischen Staaten groß. Doch tatsächlich war das Wahlergebnis gleich von mehreren Enttäuschungen geprägt.

Die „große blaue Welle“ blieb aus

Die Demokraten hatten auf die „große blaue Welle“ gehofft, um dadurch nicht nur das Präsidenten- und Vizepräsidentenamt zu übernehmen, sondern auch die Mehrheit im Repräsentantenhaus deutlich auszubauen und vor allem auch den Senat zu gewinnen. Die Präsidentschaft hat man zwar gewonnen, aber nicht gerade als erdrutschartiger Sieg, wie erwartet; im Repräsentantenhaus musste man sogar Einbußen hinnehmen und der Senat erwies sich als Zitterpartie, die erst im Januar entschieden wird. Die Demokraten dürfen im Senat bestenfalls auf einen Gleichstand hoffen, wobei in diesem Fall die Vizepräsidentin Kamala Harris bei Abstimmungen den Ausschlag gäbe, so dass die Demokraten letztlich über die denkbar dünnste Mehrheit verfügen würden. Diese Situation gab es schon früher unter Georg W. Bush bei der ersten Administration, als auch ein Patt im Senat vorlag und damals Vizepräsident Dick Cheney den Ausschlag gab für die Republikaner. Es wäre also keine völlig neue Situation, aber es wäre eine Überraschung, sollten die Demokraten dieses Mal tatsächlich beide erforderlichen Sitze im Senat gewinnen, die benötigt werden, um ab 2021 ein Patt herbeizuführen. Beide Sitze sind in den Händen der Republikaner und zumindest in einem Fall könnte das auch so bleiben.

Viele Wähler wollen „checks and balances“

Georgia ist traditionell ein „red state“, also ein den Republikanern zugeneigtes Land. Zwar hat Joe Biden in Georgia gewonnen, aber in vielen Fällen mit einem „split vote“. Viele Wähler haben sich bei der Präsidentschaftswahl für Biden entschieden, aber beim Senat und beim Repräsentantenhaus bewusst nicht demokratisch gewählt haben, um eine Balance der Macht herbeizuführen im Sinne von „checks and balances“. Das „divided government“ ist eine typische amerikanische Denkart. Genau das könnte auch den Ausschlag für die aktuelle Situation geben. Das Ergebnis wäre entscheidend dafür, ob Joe Biden mit einem republikanischen oder einem demokratischen Senat regiert. Im ersten Fall müsste er vor allem mit Dekreten regieren, nur im zweiten Fall hätte er eine gesetzgeberische Mehrheit hinter sich. Alle internationalen Abkommen bedürfen der Zustimmung beider Häuser, Senat und Repräsentantenhaus, um eine dauerhafte Gültigkeit zu bekommen. Er kann zwar mit „Executive Orders“, also Verordnungen, regieren, wie es schon sein Vorvorgänger Barack Obama getan hat, aber ein solches Dekret kann vom nächsten gewählten Präsidenten jederzeit wieder geändert werden, hat also keine Dauerhaftigkeit. Wir haben gesehen, wie Donald Trump den Beitritt zum Pariser Klimarahmenabkommen mit einem Federstrich wieder rückgängig machen konnte, weil Obama dem Abkommen lediglich per „Executive Order“ beigetreten war. Biden hat angekündigt, die USA bei seinem Amtsantritt wieder zurückzubringen, aber möglicherweise gilt das dann wiederum nur für vier Jahre.

Zweite Amtszeit unwahrscheinlich

Kaum jemand geht davon aus, dass Joe Biden für eine zweite Amtszeit antritt. Würde er im wesentlichen per „Executive Order“ regieren, wäre die Haltbarkeit vieler Beschlüsse der Biden-Administration also möglicherweise auf vier Jahre begrenzt. Einen „sitting president“ zu besiegen, ist stets schwierig – das wäre auch eine Erklärung, warum die Wahl so knapp ausgegangen ist. In der jüngeren Vergangenheit hat es beinahe immer „second terms“ gegeben, mit Ausnahme von Bush-Vater und Jimmy Carter, die von Bill Clinton bzw. Ronald Reagan nach einer Amtsperiode abgelöst wurden. Somit ist bei aller Freude über den Biden-Sieg zu bedenken, dass der Senat die entscheidende Kammer für die US-amerikanischen Außenpolitik darstellt, also aus europäischer Sicht für die transatlantischen Beziehungen.

Corona wird die neue US-Regierung noch lange beschäftigen

Es ist zudem in Betracht zu ziehen, dass Trump über 71 Millionen Stimmen bekommen hat – trotz seiner erratischen Politik und seiner unsäglichen Rhetorik. Das kann Biden vermutlich nicht so einfach übergehen, wenn er seine Ankündigung wahr machen will, die Polarisierung der amerikanischen Gesellschaft zu überwinden. Biden hat klargestellt, dass er dem politischen Gegner die Hand reichen will; dazu müsste er natürlich auch die Gravamina der Trump-Wähler in sein Kalkül einbeziehen. Dieser begrenzte Handlungsspielraum des neuen US-Präsidenten ist auf zahlreichen Politikfeldern von Relevanz. Dies gilt umso mehr angesichts der zu erwartenden ökonomischen Folgen der grassierenden Pandemie. Über eine Viertel Million Amerikaner sind bislang Covid-19 zum Opfer gefallen; Tendenz steigend, die Krise ist bei weitem nicht überwunden. Die Konsequenzen daraus werden die USA wie übrigens auch uns in Europa noch mindestens anderthalb bis zwei Jahre beschäftigen, wenn nicht noch länger. Die Situation im eigenen Land wird also mindestens das erste Jahr der Biden-Präsidentschaft prägen – mit entsprechend weniger Fokus auf Europa.

US-Außenpolitik unter Joe Biden

Aus den Veröffentlichungen von Joe Biden während seines Wahlkampfes, beispielsweise in Foreign Affairs, lassen sich Rückschlüsse auf seine internationale Politik ziehen. Daraus geht klar hervor, dass er die USA in die multilateralen Institutionen zurückbringen wird. Er wird in Europa auf die Nato-Partner und ebenso in Asien auf die traditionellen Partner zugehen und die bestehenden Allianzen bestärken. Dabei dürfte die Nato weit oben auf der Biden-Agenda stehen; er hat die Nato explizit als die wichtigste und erfolgreichste Allianz in der amerikanischen Geschichte genannt. Aber er wird sicherlich nicht abgehen von der Forderung an die europäischen Länder, ihren 2 Prozent-Verpflichtungen für die Nato nachzukommen. Die Rhetorik wird aus europäischer Sicht akzeptabler werden, aber die Forderungen werden sich nicht ändern. Die deutsche Bundesregierung ist also gut beraten, über einen Zwischenschritt 2024 bis 2034 das 2 Prozent-Ziel zu erreichen, aber natürlich in einem Kontext, der die Beziehungen zu den Nachbarstaaten nicht politisch auflädt. Denn eine Erhöhung der Ausgaben Deutschlands für die Rüstung wird zwar in Washington für Applaus sorgen, aber nicht gerade in den europäischen Hauptstädten. Die Biden-Administration wird also die traditionellen Bündnisse einschließlich der Nato stärken, aber mutmaßlich keine neuen, eigenen Initiativen dazu in Gang bringen. Das hängt auch damit zusammen, dass Biden von einer Wahlkoalition ins Amt getragen wurde, die selten derart breit von der linken Seite bis ins Zentrum reichte, von erklärten Sozialisten wie Bernie Sanders und Elizabeth Warren über Wallstreet-Magnate wie Michael Bloomberg bis hin zu Hightech-Kapitänen wie Jeff Bezos und Mark Zuckerberg, die geradezu den Inbegriff des Kapitalismus darstellen. Diese Allianz wurde überhaupt nur möglich, weil sie auf das gemeinsame Ziel, Trump aus dem Weißen Haus zu entfernen, zu einigen war.

Biden selbst ist zwar ein Zentrist und hat auch bislang durchweg Zentristen in wichtige Regierungsämter geholt, aber er wird die linke Seite der demokratischen Partei dennoch angemessen berücksichtigen müssen. Bidens Aufgabe, auf dieser Koalition eine Politik aufzubauen, die sowohl die Sozialisten als auch Zentristen befriedigt, wird daher alles anderes als leicht sein. Die politische Linke steht in den USA, wie auch in Europa, jedweder Ausweitung des Militärbudgets äußerst kritisch gegenüber. Sollten dennoch Finanzmittel in sicherlich kleinerem Umfang zur Ausweitung des Militärs aufgebracht werden, dürften diese nicht der Nato zugute kommen, sondern in Ostasien Verwendung finden zur Stärkung der US-amerikanischen Position gegenüber China.

Gute Nachrichten für den Außenhandel

Neben der Sicherheitspolitik stellte der Außenhandel ein zweites großes Gravamen der Trump’schen Außenpolitik dar. Die Drohungen und Maßnahmen der Trump-Administration zur Erhebung von Zöllen etwa auf Stahl, Aluminium oder Automobile, letzteres wäre ein Super-GAU für die deutsche Autoindustrie gewesen, dürften unter Biden vom Tisch sein. Das ist eine gute Nachricht insbesondere für die Automobilbranche, denn von 20 oder 30 Prozent Zoll wären nicht nur die Hersteller selbst betroffen gewesen, sondern in Folge dessen auch die gesamte Zulieferindustrie mit insgesamt rund zwei Millionen Arbeitsplätzen in Deutschland.

Zwischen TTIP und Nordstream 2

Das bedeutet aber nicht, dass das Transatlantische Freihandelsabkommen TTIP, das von der EU mit der Obama-Administration verhandelt wurde, unter Biden wiederbelebt wird, auch nicht als „TTIP light“. Bestenfalls wird es kleinere Industrieabkommen geben, wie es der damalige EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker in seinem historischen Gespräch mit Donald Trump angeregt hatte. Übrigens haben wir es Jean-Claude Juncker zu verdanken, dass die Automobilzölle letztendlich nicht gekommen sind, weil er angeboten hatte, im Gegenzug Sojabohnen und flüssiges Erdgas LNG von den Amerikanern abzunehmen. LNG ist insbesondere für die osteuropäischen EU-Staaten von Bedeutung, weil sie von Gas aus Russland Abstand nehmen wollen und daher bereit sind, das teurere Flüssigerdgas aus den USA abzunehmen.

Damit sind wir beim Thema der Nordstream-2-Pipeline angekommen, das auch in Zukunft ein Streitpunkt bleiben wird. Der amerikanische Kongress hat bereits Sanktionen in Gesetzesform verabschiedet – das heißt, europäische Firmen, die sich am Weiterbau beteiligen, werden amerikanischen Sanktionen unterworfen –, die vermutlich nur die erste Stufe darstellen. Dies wird auch unter der Biden-Administration ein äußerst schwieriges Thema auf der transatlantischen Agenda bleiben, ebenso wie weitere kontroverse Handelsdiskussionen zu erwarten sind. Es hat immer wieder Handelskriege gegeben, von Hähnchen bis Stahl, das war kein neues Thema unter Trump. Allerdings war es eine Überraschung, dass ausgerechnet die Republikaner zu solchen Maßnahmen gegriffen haben, die früher als „free trader“ bekannt waren. Das hängt sicherlich damit zusammen, dass es sich bei der Trump-Wählerschaft zu einem großen Teil um desillusionierte ehemalige demokratische Wähler handelt.

Insbesondere in US-Bundesstaaten mit starker industrieller Prägung wie Michigan, Wisconsin, Iowa, Illinois, Pennsylvania oder Ohio waren viele der Trump-Wähler früher Gewerkschaftsmitglieder und traditionelle Wähler der Demokraten, die vor vier Jahren erstmals republikanisch gewählt und dieses Mal sicherlich nicht alle für Biden gestimmt haben. Um diese Wähler für die Demokraten zurückzugewinnen, muss Biden die Handelsagenda von Trump zumindest teilweise übernehmen – zumal sie die klassische demokratische Handelsagenda darstellt. Europa darf also nicht zuviel Entspannung in den transatlantischen Handelsbeziehungen erwarten.

China und Russland auf der Agenda

Es gibt zwei weitere Thema auf der transatlantischen Agenda: China und Russland. Die Biden-Politik gegenüber China wird sich nur marginal von der Trump’schen Vorgehensweise unterscheiden. Es gibt einen breiten Konsens in den USA über beide Parteien, den Kongress und das Repräsentantenhaus hinweg, dass China der nächste große Rivale ist, auf den sich die US-amerikanische Politik einzustellen hat. Der Kurs wird zwar unter Biden nicht so konfrontativ sein wie unter Trump, aber bei der Handelspolitik wird es nicht viele Unterschiede geben. Allerdings gibt es drei große Themen, bei denen die USA mit China zusammenarbeiten werden.

Dazu gehört die Pandemie-Bekämpfung in den nächsten ein bis zwei Jahren. Denn es reicht nicht, wenn alleine die USA oder Europa Corona-freie Zonen werden, sondern das Virus ist erst besiegt, wenn es überall ausgerottet ist. Wir werden zwar vorher hoffentlich ein Stück weit zur Normalität in Europa zurückfinden, aber ein internationales Reisegeschehen, wie wir es gewohnt sind, wird es nur geben, wenn das Virus weltweit lückenlos besiegt ist. Dazu ist chinesische Hilfe unabdingbar.

Globaler Klimaschutz geht nur mit den USA

Zum zweiten gehört zu den gemeinsamen Themen mit China der Klimaschutz. Erinnern wir uns, dass es Barack Obama höchstpersönlich war, der Chinas Regierungschef Xi Jinping und übrigens auch Indiens Staatsoberhaupt Narendra Modi überzeugt hat, dem Pariser Klimarahmenabkommen beizutreten. Dieses Rahmenabkommen mit Aktivitäten zu beleben, um die gemeinsam festgelegten Ziele zu erreichen, obliegt jedem einzelnen Staat; daher beispielsweise auch der „green deal“ in der EU oder der Kohleausstieg in Deutschland. Global werden die Ziele indes nur zu erreichen sein mit entsprechenden Anstrengungen von Seiten Chinas oder Indiens. Joe Biden hat bereits die Einberufung einer Konferenz der „big co2 emittors“ in Aussicht gestellt, auch um China und Indien wieder einzubeziehen, die sich nach dem Amtsantritt Trumps weitgehend zurückgezogen hatten. Europa hat zwar versucht, die Führerschaft beim Klimaschutz zu übernehmen, konnte aber Russland, Brasilien, Saudi-Arabien, China und Indien nicht an Bord bringen bzw. halten, das ging schlichtweg nicht ohne die USA.

Atompolitik im Fokus

Das dritte große Thema, bei dem die USA auf China zugehen werden, und das auch auf der transatlantischen Agenda eine Rolle spielen wird, ist die Atompolitik, genauer gesagt die Eindämmung der Proliferation, also die Verbreitung, von Nukleartechnologie und insbesondere des Know-hows für interkontinentale Atomraketen. Der Hauptprofilerateur der letzten Jahre war Nordkorea – und den größten Einfluss auf Nordkorea hat, neben Russland, eben China. Es ist offensichtlich, dass Pakistan ohne die Hilfe aus Nordkorea nicht in der Lage gewesen wäre, Atomwaffen zu entwickeln. Die pakistanische Atombombe ist von Saudi-Arabien finanziert worden. Das ist übrigens einer der Gründe, die für die Beibehaltung des Atomkontrollabkommens mit dem Iran sprechen, denn wenn dem Iran der Durchbruch bei der Entwicklung einer Atombombe gelänge, würde sich zweifelsohne auch Saudi-Arabien mit pakistanischer Hilfe zügig zu einer Atommacht aufschwingen.

Die Solidarität Europas ist gefragt

Alle drei Themen sind von zentraler Bedeutung für die Welt, aber eben auch für Europa und auch für die transatlantischen Beziehungen. Denn Joe Biden wird für alle drei Themen eine klare Solidarität Europas für die US-Politik erwarten. Bei einigen dieser Aspekte ist Europa und insbesondere Deutschland fraglos an Bord. Doch beim Verhältnis zu China ist zu bedenken, dass beispielsweise die deutsche Automobilindustrie oder die Chemiebranche viel stärker vom chinesischen Markt abhängig ist als die US-Wirtschaft. Ein Desengagement oder Decoupling von China, wie es in den USA heißt, würde die deutsche Wirtschaft deutlich stärker treffen als die USA.

Russland ist ein weiterer entscheidender Faktor. EU-Länder wie Deutschland und andere wollen mit Russland vor allem kooperative Beziehungen pflegen. Eine „working relationship“ mit Wladimir Putin gilt als wichtig, um die Konflikte in der russischen Nachbarschaft wie etwa kürzlich zwischen Armenien und Aserbaidschan oder den Konflikt in der Ostukraine zu beenden, was nur mit und nicht gegen Russland möglich sein wird. Nordstream 2 steht in diesem Szenario ebenfalls im Wege, wie weiter vorne erläutert.

Nebenbei bemerkt. Mit dem Ausscheidens Großbritanniens aus der Europäischen Union wird übrigens auch der Weg frei für die EU-Kooperationsplattform Pesco, die von den Briten stets abgelehnt wurde. Pesco macht die EU einerseits im Bereich der Verteidigung flexibler und unabhängiger von den USA, stellt andererseits aber auch einen wesentlichen Pfeiler für die Nato dar. Die Trump-Administration hätte diesen gemeinsamen europäischen Weg mutmaßlich mit bilateralen Abkommen etwa mit Polen, aber auch mit Ungarn und Rumänien, unterminiert, so dass auch hier die Biden-Regierung eine bessere Entwicklung in Aussicht stellt. Die Gefahr, dass eine bilaterale Osteuropa-Politik der USA die Nato und letztlich auch die EU schwächt, ist also wohl vom Tisch. Dennoch wird die Biden-Administration bei der Russland-Politik sicherlich nicht an dem Punkt anknüpfen, an dem die Obama-Administration aufgehört hat. Unter der damaligen Außenministerin Hillary Clinton ging es um den „reset“ der amerikanisch-russischen Beziehungen. Doch ihr Versuch, mit Putin zu einer neuen kooperativen Beziehung zu kommen, muss als gescheitert angesehen werden.

Der neue Außenminister Tony Blinken war unter Obama außenpolitischer Berater des damaligen Vizepräsidenten Biden und zeitweise sogar selbst Vize-Außenminister. Blinken hat zeitweise in Budapest gewohnt (sein Vater hat als US-Botschafter in Ungarn gearbeitet), ist in Paris aufgewachsen und spricht fließend französisch – kurzum, er kennt Europa sehr gut. Er repräsentiert damit die wohl europäischste US-Regierung, die man sich nur vorstellen kann. Übrigens: Der neue Security Advisor Jake Sullivan des Präsidenten Biden war ebenfalls schon in der gleichen Position, als Biden Vizepräsident war. Der neue Präsident versammelt also ein vertrautes Team aus der Obama-Ägide um sich. Dennoch darf man nicht davon ausgehen, dass es eine Rückkehr zur Obama- oder gar zur Clinton-Zeit geben wird, denn die innenpolitische Situation Bidens stellt sich völlig anders dar als bei Obama, wie weiter oben dargelegt.

Fazit: Es wird besser und angenehmer, aber es gibt viele komplizierte Themen

Fazit: Die transatlantischen Beziehungen werden besser werden und rhetorisch angenehmer, aber sie werden weiterhin komplizierte Themen wie etwa China einschließen. Trump hatte gar nicht erst den Versuch unternommen, Europa in seine China-Politik einzubeziehen, von Biden dürfen wir indes genau dies erwarten. Schließlich sind die Ziele der amerikanischen und der europäischen Wirtschaft in Bezug auf China nicht sehr weit voneinander entfernt. Es ist also durchaus sinnvoll, wenn sich die USA und Europa darüber abstimmen, beispielsweise über den Marktzugang westlicher Unternehmen in China im Vergleich zu den Marktchancen chinesischer Firmen in Europa und den USA.

JETZT ist der richtige Zeitpunkt für Europa

Deshalb ist es aus europäischer Sicht wichtig, jetzt die relevanten gemeinsamen Themen anzusprechen, die europäischen Gesichtspunkte einzubringen und den Grundstein zu legen für die künftige Zusammenarbeit mit der neuen US-Regierung. So war es gut, dass die EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen für die Europäische Union und der Hohe Beauftragte der EU für die Außenbeziehungen Josep Borrell schon am 3. Dezember eine transatlantische Strategie vorgestellt haben. Die Transitionsphase in den USA wird sich bis zum Sommer hinziehen, erst bis dahin werden alle entscheidenden Positionen der neuen Biden-Regierung besetzt sein. Dieses halbe Jahr sollte Europa gut nutzen, um Einfluss auf die US-amerikanische Agenda zu nehmen.