Thought Leadership
Von Jane Enny van Lambalgen*, Produktions- und Logistikexpertin
Die Unternehmen sollten ihr Marketing schleunigst an die aktuellen Lieferengpässe anpassen. Geschicktes Marketing, das den Fokus gezielt auf die kurzfristig lieferbaren Produkte lenkt, gehört zu den besten Strategien, um die Material- und Logistikknappheit aufzufangen. Unternehmen, die die Neuausrichtung im Marketing nicht schnell genug schaffen, droht Insolvenzgefahr, weil die Engpasssituation noch weit bis ins neue Jahr anhalten wird.
Kundennachfrage auf verfügbare Produkte lenken
Viele Unternehmen haben nur eine Chance, die Krise wirtschaftlich zu überleben, wenn sie es schaffen, die Kundennachfrage zügig auf die verfügbaren Produkte zu lenken. Verknappungsmarketing hat schon immer gut funktioniert, wie der weltweit wertvollste Konzern, Apple, seit Jahren eindrucksvoll demonstriert. Wenn der Kundschaft bewusst wird, dass bestimmte Produkte zwar heute noch einigermaßen lieferbar, aber möglicherweise in naher Zukunft schwerer verfügbar sein werden, dann lässt sich damit ein Run auf eben diese verfügbaren Angebote auslösen. Unternehmen sollte diese Psychologie der Verknappung gezielt für sich nutzen statt über Lieferengpässe zu lamentieren.
Politik hätte auf Verknappung der Impfkapazitäten hinweisen statt appellieren sollen
Ein Vergleich zur aktuellen Politik: Wenn die Politik im Sommer auf einen drohenden Engpass bei Biontech-Impfkapazitäten im Herbst und Winter hingewiesen hätte statt ständig an das gute Gewissen der Bevölkerung, sich impfen zu lassen, zu appellieren, hätte wir heute mutmaßlich eine deutlich höhere Impfquote zu verzeichnen. Was im Überfluss vorhanden ist, reizt die Menschen nun einmal viel weniger als alles, was vermeintlich knapp und daher wertvoll ist. Diese Regel, die jedes Kind intuitiv versteht, scheint in der Politik weitgehend unbekannt zu sein. Unternehmen sollten dieses Prinzip in der aktuellen Situation umso besser verstehen und für sich nutzen, um das Geschäft dem schwierigen Umfeld zum Trotz am Laufen zu halten.
Zwar stellt Verknappungsmarketing nicht für jede Branche und nicht für jedes Unternehmen gleichermaßen einen Ausweg aus der Krise dar, aber in vielen Fällen eben schon. Es empfiehlt sich daher für die Unternehmen ein integrierter Ansatz, bei dem Produktions- und Logistik- sowie Vertriebs- und Marketingabteilungen eng zusammenarbeiten. Häufig ist der Einsatz einer „Task Force“ anzuraten, die quer durch unterschiedliche Abteilungen hinweg feststellt, welche Produkte mehr oder minder stabil lieferbar sind und den Vertrieb und das Marketing auf diese Produkte zu konzentrieren.
Fokusmarketing kann natürlich nur für eine kurzfristige Linderung sorgen. Parallel dazu kommt es für die Industrie darauf an, zügig zukunftssichere Produktionsstandorte und nachhaltig belastbare Lieferketten zu etablieren, um der Mangelwirtschaft, die voraussichtlich bis mindestens 2023 anhalten wird, zu trotzen.
* Jane Enny van Lambalgen ist Founding Partner und Geschäftsführerin der Planet Industrial Excellence (www.planetie.ch) mit Sitz in der Schweiz. Als Interim Manager für Strategie, Operational Excellence, Turnaround und Digital Transformation übernimmt sie regelmäßig in Unternehmer aus unterschiedlichen Branchen Leitungsfuktionen wie CEO, COO oder Managing Director, um mittelständische oder börsennotierte Firmen über schwierige Situationen hinweg zu führen. Sie gehört zum ausgewählten Kreis von nicht mehr als 100 Personen im „United Interim Autorenclub“; United Interim (UI) gilt als führendes Netzwerk für Interim Manager im deutschsprachigen Raum und in den UI-Fachbüchern publizieren ausschließlich Interim Manager, die zu den Besten der Besten auf ihrem jeweiligen Fachgebiet gehören. United Interim bringt die Fachbuchreihe „Von Interim Managern lernen“ gemeinsam mit dem Diplomatic Council heraus.