Thought Leadership

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Dr. Harald Schönfeld
Schwarze-Schwäne-Strategie

Von Dr. Harald Schönfeld*

"Die Wirtschaft sollte sich auf eine Strategie der Schwarzen Schwäne vorbereiten“, rät Dr. Harald Schönfeld, Interim-Management-Experte bei der UNO-Denkfabrik Diplomatic Council und Geschäftsführer der Interim-Manager-Community United Interim. Er erläutert: „Ein `schwarzer Schwan´ bezeichnet ein Ereignis, das so unwahrscheinlich erscheint, dass man es `eigentlich´ ausschließt. In Europa waren stets nur weiße Schwäne bekannt und ein `schwarzer Schwan´ war der Inbegriff des Unmöglichen. Doch es gibt die auch Trauerschwan genannte Gattung in Australien und mittlerweile ganz vereinzelt auch in Europa. Eine Schwarze-Schwäne-Strategie bedeutet also, dass Unternehmen das scheinbar Unmögliche ins Kalkül ziehen.“

Der Experte benennt als Beispiele für die aktuellen „schwarzen Schwäne“: Pandemie, Lücken in den Lieferketten, Chipmangel, Krieg in Europa, Energieknappheit und Personalmangel. „Eine seriöse Planung kann nicht darauf vertrauen, dass alle diese Probleme bald gelöst werden, sondern muss sich auf weitere noch gar nicht absehbare Herausforderungen einstellen“, meint Dr. Harald Schönfeld. Er sagt: „Wir erleben derzeit einen Ansturm auf Interim Manager, die den Unternehmen helfen, ihre Abhängigkeiten zu erkennen, Schwachstellen auszumerzen und Notfallpläne zu entwickeln. Die traditionellen Managementstrukturen sind auf diese Aufgaben überhaupt nicht ausgerichtet, so dass Interim Manager als Feuerwehr benötigt werden.“

Als Abhilfe gegen „Schwarze Schwäne“ rät der UNO-Experte zu einer dreigeteilten Strategie, die sich auf Resilienz, Redundanz und Rationalisierung stützt. Resilienz bedeutet, dass ein Unternehmen auf seine Störanfälligkeit hin durchleuchtet wird, um die potenziellen Störstellen so weit wie möglich zu reduzieren. Bei der Redundanz kommt es darauf an, auf möglichst keinem Sektor nur von einem einzigen Zulieferer abhängig zu sein. Die Rationalisierung dient dazu, alle Produkte mit so wenigen Teilen wie möglich herstellen zu können und den reibungslosen Betriebsablauf mit so wenigen Beschäftigten wie möglich zu gewährleisten. „Diese drei Kriterien sind heutzutage in den meisten Branchen wichtiger als die häufig angestrebte Kostenführerschaft“, stellt Dr. Harald Schön­feld fest.

Unternehmensstrategien zur Anpassung an veränderte Bedingungen

Unternehmensstrategien für die Anpassung an veränderte Bedingungen will Dr. Harald Schönfeld als Heraus­geber mit einem neuen Multiautorenbuch mit dem Titel „Business Transformation – Interim Manager berichten aus der Praxis“ aufzeigen. An dem Werk, das in diesem Herbst erscheinen soll, verraten 14 Interim Manager ihre besten „Tricks“ für den aktiven Umgang mit Veränderungen. Die Fachbuchreihe „Von Interim Managern lernen“ soll die Innovationskraft, die Wirtschaftlichkeit und die Flexibilität der deutschen Wirtschaft stärken. „Interim Manager, die quer durch alle Branchen und alle Fachgebiete über unterschiedliche Unternehmen hinweg aktiv sind, bergen ein enormes Firmen-übergreifendes Know-how, das wir mit unserer Fachbuchreihe zutage fördern wollen“, sagt Schönfeld.

Über den Umgang mit den unvorhersehbaren Ereignissen, den „Schwarzen Schwänen“, sollten die Unternehmen die vorhersehbaren Entwicklungen nicht vernachlässigen, mahnt Dr. Harald Schön­feld. Er sagt: „Die Wettbewerbsfähigkeit vieler Unternehmen wird künftig eng mit den Fragen verknüpft sein, wie gut sie auf die Deglobalisierung vorbereitet sind und in welchem Ausmaß sie bei der Softwareentwicklung mit anderen und häufig neuen Marktmitspielern mithalten können. Insbesondere die immer stärkere Rolle von Programmierkapazitäten als Wettbewerbsfaktor ist keine Neuheit, aber es fällt vielen Firmen offensichtlich schwer, sich ausreichend darauf vorzubereiten. Erst allmählich beginnen die ersten großen Mittelständler und Konzerne damit, Interim Manager zu engagieren, der geeignete strategische Entwicklerkapazitäten organisieren und managen.“

Es gibt mehr Schwarze Schwäne als gemeinhin angenommen

Als „Schwarzer Schwan“ bezeichnet man ein Ereignis, das so unwahrscheinlich erscheint, dass man es „eigentlich“ ausschließt. Doch wenn man die Welt genauer betrachtet, gab es in den letzten Jahren eine ganze Reihe von Ereignissen, die einem schwarzen oder zumindest grauen Schwan nahekamen.

Terroristen entführen Passagierflugzeuge und steuern sie in die Zwillingstürme des World Trade Center in New York, die daraufhin einstürzen; es gibt rund 3.000 Todesopfer. Es war undenkbar – und doch geschah es am 11. September 2001. Ein islamistischer Terrorist lenkt einen schweren Sattelschlepper in eine Menschenmenge auf dem Berliner Weihnachtsmarkt am Breitscheidplatz an der Gedächtniskirche – geschehen am 19. Dezember 2016. Niemand hatte diese Terror­variante zuvor in Betracht gezogen; erst seitdem werden Märkte gegen Lkw-Terror durch Barrieren geschützt. Eine neonazistische Terrororganisation ermordet über acht Jahre hinweg in Deutsch­land still und heimlich Menschen mit Migrationshintergrund – unvorstellbar, bis das mörderische Treiben der NSU (Nationalsozialistischer Untergrund) von 1999 bis 2007 im Jahr 2011 aufflog. Ebenso undenkbar schien lange Zeit, dass jemals ein Mitgliedsland der EU aus der Europäischen Union wieder austritt – bis uns Großbritannien mit dem Brexit 2020 eines Besseren belehrte. Was heißt das für die Zukunft? Es lohnt sich, Szenarien in Betracht zu ziehen, die so unwahrscheinlich sind, dass man sie für unmöglich hält.

* Dr. Harald Schönfeld ist langjähriges Mitglied im Diplomatic Council, Geschäftsführer der DC Mitgliedsfirma United Interim und Mitherausgeber der Fachbuchreihe „Von Interim Managern lernen“, die im Verlag des Diplomatic Council erscheint.