Thought Leadership

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Elon Musk
Globale Geschäftsmodelle für die Menschheit

US-Milliardäre wie Elon Musk haben globale Geschäftsmodelle entwickelt, die weit über das bisher übliche „Geschäftemacher“ hinausgehen, indem sie erstens die gesamte Menschheit betreffen, und zweitens starke geopolitische Auswirkungen haben.

Galt die Raumfahrt im letzten Jahrhundert als Domäne der Staaten, so ist abzusehen, dass der Weltraum im 21. Jahrhundert maßgeblich von der Privatwirtschaft erobert wird. Unternehmen bekannter Milliardäre wie Virgin Galactic (Richard Branson), Blue Origin (Jeff Bezos) und SpaceX (Elon Musk) haben sich seit Anfang der 2020er Jahre auf den Weg gemacht, den Weltraum zu kommerzialisieren. Sie wetteifern um das künftige Billionen-Geschäft mit Reisen ins All und möglicherweise irgendwann einmal mit einer Besiedlung fremder Himmelskörper.

Weltall der Billionäre

Man darf unterstellen, dass es bei diesen zivilen Anstrengungen auch darum geht, die Gründer aus dem Stand der Milliardäre in die künftige Riege der Billionäre zu katapultieren. Aber ebenso wahrscheinlich werden die dabei gewonnenen Erkenntnisse und Fortschritte in hohem Maße der künftigen Menschheit zuteil werden. Dabei ist eine Allianz der staatlichen und der privatwirtschaftlichen Weltraumnutzung unübersehbar. Schon 1997 hoben von den US-amerikanischen Weltraum-Start­plätzen mehr kommerzielle als staatlich beauftragte Raketen ab.

Bestes Beispiel für die neue „Space Generation“ ist die Crew Dragon von SpaceX. Das bemannte Raumschiff brachte im Juni 2020 mit einer Falkon-9-Rakete im Auftrag der NASA zwei Astronauten zur Internationalen Raumstation ISS (International Space Station). Im November 2020 fand der erste reguläre Astronautenstart von SpaceX statt. Die November-Crew – Crew-1 – war die erste, die offiziell von der Crew Dragon zur ISS geflogen wurde, nachdem der bemannte Test im Frühjahr 2020 erfolgreich verlaufen war.[iii] Sie markierte den Beginn einer langen Reihe vieler weiterer geplanter kommerzieller Weltraumflüge in den 2020ern. Das US-amerikanische Modul der Inter­nationalen Weltraumstation ISS soll bereits bis 2025 über­wiegend in privatwirtschaftlicher Hand liegen.

Neues Geschäftsmodell für Großprojekte

Man kann ohne weiteres von einem neuen Geschäftsmodell für Großprojekte sprechen, die „in alten Zeiten“ durchweg vom Staat finanziert und durchgeführt wurden, aber seit einiger Zeit dabei sind, von der Wirtschaft übernommen zu werden. Die Weltraumfahrt stellt dabei den Musterfall dar, das Vorbild, angeführt vom Tausendsassa-Unternehmer Elon Musk und seiner Firma SpaceX.

Dieses Geschäftsmodell funktioniert wie nachfolgend erklärt. Ein oder gar mehrere äußerst finanzkräftige Unternehmer entwickeln eine großindustrielle Technologie bis zur Serienreife. Der Staat unterstützt diese Entwicklung gerne, weil er erstens selbst davon profitieren will, zweitens die dafür notwendigen Finanzmittel nicht vollständig selbst aufbringen muss, drittens er sich dadurch vor dem Bürger und Steuerzahler politisch nicht rechtfertigen muss, viertens von der Einsicht geleitet wird, dass Unternehmen schneller praxisnahe Resultate hervorbringen, als wenn sich behördlich organisierte Forschungseinrichtungen damit befassen, und fünftens, dass der Staat künftig jederzeit Zugriff auf die Ergebnisse haben wird, und sei es schlichtweg durch eine entsprechende Gesetzgebung.

Den wenigen Unternehmen, welche die Finanzmittel, das Know-how und die Risikobereitschaft aufbringen, sich in das Abenteuer des neuen Großprojekts zu stürzen, winken beinahe unermessliche Gewinne. Zum ersten steht nach der Anfangsphase ein steter Geldfluss ins Haus, sobald der Staat an die Machbarkeit glaubt und die Entwicklung mit finanziellen Mitteln unterstützt. Zum zweiten tritt der Staat alsbald als Auftraggeber auf, weil er die entsprechende Technologie für seine eigenen Zwecke benötigt. So ist es SpaceX gelungen, sich zu einem Hauptlieferanten der US-Raumfahrtbehörde NASA (National Aeronautics and Space Administration) zu mausern. Das ist keiner der beiden Seiten vorzuwerfen, sondern macht für das Unternehmen wie auch für die Behörde Sinn. Aber es verspricht eben SpaceX eine Schüsselrolle in einem Zukunftsmarkt, dessen Dimension mit „Billionen“ vermutlich noch untertrieben dargestellt ist. Wer bei der Besiedlung des Weltraums durch die Menschheit – und um nichts Geringeres geht es – von Anfang an eine Schlüsselposition einnimmt, der darf zu Recht auf sprudelnde Einnahmen hoffen. Man mag diese Situation vergleichen mit dem Aufstieg Rockefellers im damals neuen Ölbusiness oder dem Vorpreschen Microsofts angesichts der neu aufkommenden Welt der Personalcomputer. Allerdings besitzt die heutige Situation ein Vielfaches mehr an Potenzial, weil der Staat selbst in einem Maße an der Eroberung oder Besiedlung des Weltraums Interesse hat, wie es nicht einmal beim Öl geschweige denn bei Computern der Fall war.

Die Chuzpe, eine Mischung aus zielgerichteter, intelligenter Unverschämtheit, charmanter Penetranz und unwidersteh­licher Dreistigkeit, mit der Elon Musk sein Unternehmen SpaceX in diese einzigartige Position in der Weltraumfahrt gebracht hat, wird im internationalen „Club der Milliardäre“ mit einer Mischung aus Anerkennung, Neid und Gier gesehen. Sir Richard Branson und Jeff Bezos aus dem „Club“ haben sich auf den Weg gemacht, Elon Musk ein Stück vom künftigen Kuchen der Weltraumfahrt streitig zu machen.

Nutzung der Atomkraft wie Eroberung des Alls

Parallel dazu haben mehrere weitere „Top Guys“ aus dem „Club“, darunter der in vielerlei Hinsicht übermächtige Microsoft-Gründer Bill Gates, begonnen, das geschilderte Geschäftsmodell auf andere Großprojekte zu übertragen. Besonders gut lässt sich das auf dem Energiesektor erkennen, genauer gesagt, bei der Entwicklung einer neuen Generation von Atomkraftwerken. Dazu muss zunächst das Sicherheitsrisiko auf ein wirtschaftlich kalkulierbares Maß begrenzt werden. So ist es gelungen, durch neue Bauweisen für vergleichsweise kompakte Kernkraftwerke, die etwa so groß sind wie ein Einfamilien haus, die einstige Hochrisikotechnologie zu einer Zukunftstechnologie mit beherrschbarem Risiko umzuetikettieren. Ein herkömmlicher Kraftwerksbau ging stets davon aus, den „größten anzunehmenden Unfall“, den GAU, unter allen Umständen zu vermeiden. Das erforderte einen ins Unermessliche steigenden Aufwand, um das letzte Restrisiko auszuschließen, was letztendlich ohnehin gar nicht möglich ist. Die neuen kommerziellen Kernkraftwerke folgen einem anderen Sicherheitsdenken: Anstatt die Wahrscheinlichkeit des Unfalls zu reduzieren, sollen die Folgen der schlimmsten Katastrophe abgemildert werden.

Dieses neue Sicherheitsdenken – als Kritiker könnte man auch von „Unsicherheitsdenken“ sprechen – verändert die Ko­stenstruktur von Kernkraftwerken grundlegend und ermöglicht dadurch neue Geschäftsmodelle, im Grunde eine völlig neue atomare Geschäftswelt. Genau diese Entwicklung dürfte entscheidend dazu beitragen, der friedlichen Nutzung der Kernkraft neues (Geschäfts-)Leben einzuhauchen. Diese neuartige Kommerzialisierung der Atomkraft mit einer – wie es die Befürworter nennen – „ausgewogenen Mischung aus Wirtschaftlichkeit und Sicherheit“ – wird maßgeblich für die Rückkehr der Kernenergie verantwortlich sein. Denn natürlich ist absehbar, dass die Staaten großes Interesse daran haben werden, diese friedliche Nutzung der „Atomenergie 2.0“ zu verwenden, um die Energieversorgung der Bevölkerung und der Wirtschaft sicherzustellen.

Ob Weltraumfahrt oder Kernkraft – beides wird durch die Kommerzialisierung ein gutes Stück vom behäbigen Staatswesen abgetrennt und dadurch in der Entwicklung beschleunigt. Gleichzeitig ist auf beiden Technologiesektoren ein starkes staatliches Interesse unübersehbar, so dass der Staat als Co-Finanzier, Auftraggeber und Abnehmer agiert. Zudem ist absehbar, dass der Staat seine Gesetzeskraft einsetzen wird, um diese Entwicklungen zu ermöglichen und voranzutreiben – all dies geschieht bereits auf diesen beiden Sektoren, also der Weltraumfahrt und der Atomenergie.

Digitalisierung, Genetik, Gesundheit

Vorreiter sind bei diesem Geschäftsmodell, wenig verwunderlich, die Vereinigten Staaten von Amerika. Die Dominanz der USA bei der weltumspannenden Digitalisierung stellt geradezu eine Blaupause für das Funktionieren dieser Vorgehensweise dar. Dazu nur ein Beispiel: Über 90 Prozent aller deutschen Behörden sind auf Software des US-Konzerns Microsoft angewiesen. Die US-Gesetzgebung wiederum sieht vor, dass die dortigen Behörden jederzeit Zugriff auf die Kundendaten von US-Unternehmen erhalten können – selbst dann, wenn diese Daten außerhalb der Vereinigten Staaten im Ausland gespeichert sind. Allein dieser Umstand stellt eine der größten und ernsthaftesten Diskussionen bei der Digitalisierung im Öffentlichen Dienst der Bundesrepublik Deutschland dar. Es würde das Thema des vorliegenden Buches verfehlen, diesen überaus strittigen Diskurs im Detail darzustellen, aber als Beispiel für das Zusammenwirken aus Wirtschaft und Staat, um eine „Technologie von nationaler Tragweite“ zu beherrschen, ist es sehr wohl geeignet. Wohlgemerkt: Wir reden von der Beherrschung der deutschen Verwaltung durch ein Konglomerat aus US-Wirt­schaft und US-Regierung. Der „undenkbare Fall“, dass die Regierung eines anderen Landes den hiesigen Verwaltungsapparat zum Erliegen bringen könnte, ist ebenso „unvorstellbar“ wie die Vorstellung, dass ausländische Behörden auf die Daten­bestände deutscher Bürokraten zugreifen können. Immerhin drohte der Facebook-Mutterkonzern Meta 2022 ernsthaft damit, sich aus Europa zurückzuziehen, da sein Geschäftsmodell durch das hohe Datenschutzniveau hierzulande gefährdet sei. Das war eine leere Drohung, weil ein Rückzug von Facebook, immerhin das weltweit größte soziale Netzwerk, weder die Öffentliche Verwaltung noch die Wirtschaft in Deutschland oder Europa gefährdet. Aber was wäre, wenn Microsoft – oder Oracle, IBM und wie die US-Digitalkonzerne alle heißen – auch nur erwägen würden, das Europageschäft einzustellen? Undenkbar? Mag sein, aber unmöglich? Sicherlich nicht! Und natürlich erstreckt sich die US-Digitaldominanz nicht nur auf den Öffent­lichen Dienst und nicht nur auf Deutschland.

Dieses staatlich-privatwirtschaftliche Zusammenwirken, das für die USA bei der Digitalisierung so gut funktioniert, wird nunmehr auf andere Technologiesektoren von ähnlich fundamentaler Bedeutung übertagen. Die Weltraumfahrt – das Thema des vorliegenden Buches – gehört an erster Stelle dazu.

Doch andere Sektoren werden ebenso dieser Strategie unterworfen werden. Bei der Kernkraft und übrigens auch bei Künstlicher Intelligenz – eine „Megatechnologie“, deren Bedeutung häufig noch völlig unterschätzt wird – ist es bereits heute der Fall. Auf anderen Gebieten wie beispielsweise der Genetik scheint es absehbar.

Interessanterweise ist der US-Einfluss bei einem Thema von internationaler Tragweite gar nicht so aufgefallen: Die Impfung der Welt gegen das Coronavirus. Alle wesentlichen Impfallianzen – Cepi (Coalition for Epidemic Preparedness Innovations),  Covax (Covid19 Vaccines Global Access) und Gavi (Global Alliance for Vaccines and Immunisation) – standen zweifelsohne unter maßgeblicher Führung der Gates Foundation von Bill Gates. Die Frage, wer bei der Impfstoffversorgung der Welt das Sagen hat, beschrieb Gavi 2020/21 mit „co-leading“; darin steckte immerhin die Anerkennung, dass neben der Gates Foundation auch andere mitreden dürfen, etwa die Weltgesundheitsorganisation WHO (World Health Organisation), die UNO (United Nations Organisation) oder gar die Staatengemeinschaft.

Das globale Gesundheitswesen wird übrigens nicht nur durch die Impfallianzen amerikanisiert, sondern ebenso stark und vermutlich noch nachhaltiger durch Smartwatches und andere körpernahe Elektronikprodukte, die die Vitalwerte der Träger der Computeruhren fortlaufend ermitteln und via Cloud in digitale Gesundheitsdienste übermitteln. Immerhin trugen Anfang 2022 mehr als 100 Millionen Menschen rund um den Globus bereits eine Apple Watch am Handgelenk – Tendenz weiter stark steigend.

Geostrategische Machtbalance als Treiber

Durch alle diese Beispiele hinweg zieht sich wie ein roter Faden das Vorpreschen der US-Wirtschaft mit Hilfe der US-Re­gierung, um einem zukunftskritischen Technologiesektor einen amerikanischen Stempel aufzudrücken. Dieser geopolitische Aspekt darf nicht außer Acht gelassen werden bei der Eroberung des Weltraums, die das vorliegende Buch zum Thema hat.

Wenn Chinas nach den Sternen greift, dann ist dies auch vor dem geostrategischen Hintergrund der globalen Machtbalance zu sehen. Ebenso scheint absehbar, dass sich Russland bei der Eroberung des Weltraums nicht mit einer Zuschauerrolle begnügen wird – ganz im Gegenteil. Die staatliche russische Raumfahrt hat bekanntlich eine jahrzehntelange Tradition, die sich Branson, Bezos und Musk nicht freiwillig ergeben wird. Die Rolle Europas bei der Eroberung des Weltalls stellt sich bislang eher bescheiden dar, ist aber immerhin unübersehbar. Vieles deutet darauf hin, dass sich ein „westliches Weltraumbündnis“ entwickeln wird, das die USA, die Europäische Union und Großbritannien (Sir Richard Branson ist Brite, kein Amerikaner!) sowie vermutlich auch Australien und Neuseeland umfassen wird. Ob die darüber hinausgehende internationale Kooperation mit Russland, wie sie sich über Jahre hinweg bei der Internationalen Raumstation ISS manifestiert hat, angesichts der strategischen Bedeutung der Weltraumfahrt erhalten bleiben wird, scheint hingegen äußerst zweifelhaft. Der Kampf um die Ukraine, 2014 begonnen und 2022 verschärft, als Antwort Russlands auf die Erweiterung des nordatlantischen Militärbündnisses NATO in Osteuropa, lässt auch in der Weltraumfahrt keine langfristige Kooperationsperspektive aussichtsreich erscheinen.

Milliardenmarkt Weltraumtourismus

Die Schweizer Bank UBS veröffentlichte 2021 eine Analyse, wonach Reisen ins Weltall bis zum Jahr 2030 ein Marktvolumen von rund drei Milliarden Dollar erreichen sollen.

Die ersten Flüge blieben allerdings einer kleinen Gruppe der Superreichen vorbehalten. Für Jeff Bezos' Flug am 20. Juli 2021 war ein anonymer Bieter bereit, 28 Millionen Dollar zu bezahlen, um dabei zu sein.

Doch auf längere Sicht sollen die Reisen ins All in einen Massentourismus münden, irgendwann einmal so billig und so selbstverständlich wie ein Flug nach Mallorca. Richard Branson zog 2021 den Vergleich zum Flugzeug statt einer Rakete: „Flugreisen waren in den 1920er-Jahren etwas für Superreiche. Jahrzehnt für Jahrzehnt gingen die Preise runter, jetzt können sich das viele leisten. Wir werden die Preise auch senken können“. Würde man dieser Zeitachse folgen, wären Weltraumreisen allerdings erst um das Jahr 2100 herum für jedermann erschwinglich.