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Karlheinz Zuerl
Europäischen Autoherstellern mangelt es an Innovationskraft

Von DC Mitglied Karlheinz Zuerl* Europa

Die Krise bei VW und anderen europäischen Autoherstellern ist weitgehend hausgemacht. Den die europäische Industrie ist seit vielen Jahren nicht mehr innovativ genug im Vergleich mit China. Und das gilt nicht nur für den Automobilsektor. Nehmen wir konkrete Beispiele aus der chinesischen Automobilindustrie

Da ist der große Erfolg von Range-Extender-Konzepten, mit denen Hersteller wie Li Auto oder Leapmotor ihre Auslieferungszahlen binnen eines Jahres verdoppeln konnten. Die in der Branche als EREV (Electrical Range Extender Vehicles) oder REEV (Range Extender Electric Vehicles) gehandelten Fahrzeuge verwenden einen Elektromotor als Antrieb genau wie herkömmliche E-Autos, verfügen jedoch zusätzlich über einen kompakten Verbrennungsmotor, um die Batterie zwischendurch zu laden und damit die Reichweite zusätzlich um einige hundert Kilometer deutlich zu erhöhen. Das nimmt dem Verbraucher die Reichweitenangst und macht die Fahrzeuge auch in Regionen mit wenig Ladeinfrastruktur nutzbar.

Ein weiteres Beispiel ist das Batteriewechselkonzept des chinesischen Automobilherstellers Nio. Das Unternehmen hat hierzu ein Netz von Wechselstationen errichtet, an denen eine weitgehend leere Batterie binnen weniger Minuten gegen eine vollgeladene ausgetauscht wird, so dass lange Ladevorgänge für den Verbraucher unnötig werden.

BYD hat mit der Blade Batterie (mit Lithium-Eisenphosphat statt des üblichen Nickel-Cobalt-Mangan) eine neuartige Technologie auf den Markt gebracht, die als besonders sicher gilt und wenig anfällig ist für thermische Ausreißer, durch niedrige Produktions­kosten punktet und aufgrund ihres flachen Designs eine effizientere Unterbringung im Fahrzeug ermöglicht.

Ein weiteres Beispiel chinesischer Innovationsfreude auf dem Automobilsektor ist das autonome Fahrsystem XPilot vo XPeng, das im Vergleich mit Teslas Autopilot (Full Self-Driving) im innerstädtischen Verkehr als überlegen gilt.

Schließlich ist das E‑Auto MS11 von Xiaomi zu nennen, bei dem sich das Cockpit individualisieren lässt, indem man nachträglich per Magnet flexibel Bedienelemente anbringt (ähnlich dem MagSafe-Konzept bei Apples iPhone).

Die europäischen Autohersteller hingegen haben sich die letzten Jahre darauf beschränkt, überhaupt erst einmal eine Plattform für E‑Fahrzeuge zu entwickeln, um mit Tesla mithalten zu können. Als Krone der Innovation gilt der überdimensionierte 56-Zoll-Bildschirm im Mercedes-Flaggschiff.

Fundamentales Umdenken in Bezug auf China

Der Wirtschaft in den westlichen Industrienationen ist zu einem „fundamentalen Umdenken in Bezug auf China“ zu raten. Statt die Volksrepublik vor allem als Absatzmarkt zu betrachten, sollten sich die westlichen Hersteller – nicht nur aus der Automobilbranche – von der Innovationsfreude Chinas inspirieren lassen.

Die Überlegenheit der westlichen Industriewelt gegenüber China ist auf vielen Gebieten dahingeschmolzen. Die Automobilbranche und der Maschinenbau stehen exemplarisch dafür. Viele Politiker und auch Führungskräfte im Westen wollen diese Umkehrung noch nicht wahrhaben. Doch der Ausweg besteht nicht darin, die Fakten abzustreiten, sondern in eine neue Beziehung mit der chinesischen Innovations- und Wirtschaftskraft einzusteigen. Jahrzehnte­lang haben die Chinesen vom Westen gelernt, jetzt drehen sich die Verhältnisse um.

* Karlheinz Zuerl wurde von der DC Mitgliedsorganisation United Interim, der führenden Community für Interim Manager in Deutschland, Österreich und der Schweiz, sowie der ebenfalls zum Kreis der DC Mitglieder gehörenden Steinbeis Augsburg Business School als „Interim Manager des Jahres 2024“ ausgezeichnet. Sein Unternehmen GTEC hilft westlichen Industrieunternehmen, Herausforderungen in Asien zu bewältigen.