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Esther Czasch
Rechtsfragen rund um Corona

Rechtsanwältin Esther Czasch, als Wirtschaftssenatorin im Diplomatic Council engagiert, beantwortet Rechtsfragen, die sich aus den Folgen der Coronarvirus-Pandemie ergeben. Im folgenden sind einige Beispiele aufgeführt.

Insolvenz-Antragspflicht ausgesetzt

Um Unternehmen zu schützen, die infolge der Corona-Epidemie unverschuldet in eine finanzielle Schieflage geraten, soll die Insolvenzantragspflicht ausgesetzt werden. Eine entsprechende gesetzliche Regelung werde vorbereitet, teilte das Bundesjustizministerium am 16.03.2020 mit. So solle verhindert werden, dass Unternehmen nur deshalb Insolvenz anmelden müssen, weil sie die von der Bundesregierung beschlossenen Hilfen nicht rechtzeitig erhalten Die Aussetzung ist bis 30.09.2020 geplant.

Aber Achtung: Voraussetzung für die Aussetzung ist, dass der Insolvenzgrund tatsächlich auf den Auswirkungen der Corona-Epidemie beruht und dass aufgrund einer Beantragung öffentlicher Hilfen oder ernsthafter Finanzierungs- oder Sanierungsverhandlungen eines Antragspflichtigen begründete Aussichten auf Sanierung bestehen.

Miete zahlen trotz Geschäftsschließung

Der Mietzins aus einem Gewerberaummietvertrag ist grundsätzlich auch dann weiter zu zahlen,  wenn von Seiten der Behörden eine Schließungsverfügung erfolgt. Es gilt der  Grundsatz „pacta sunt servanda”– Verträge sind einzuhalten. Dabei trägt der Mieter das Verwendungsrisiko für die Mietsache ebenso wie das Risiko für die Wirtschaftlichkeit seines Gewerbebetriebs.

Ob möglicherweise die aktuelle Situation einer Pandemie mit Auswirkung auf das gesamte Wirtschaftssystem des Landes ausnahmsweise eine andere Beurteilung zulässt, ist unklar. Eine mögliche Argumentationskette gegenüber dem Vermieter für eine einvernehmliche Vertragsanpassung, sprich vorläufige Stundung der Mietzahlung, könnte sein, dass eine Vertragsanpassung wegen der sog. Störung der Geschäftsgrundlage i.S.v. § 313 BGB in Betracht kommt, weil sich bei einer solchen behördlichen Schließungsverfügung weder ein Risiko des Vermieters (Mangel der Mietsache) noch ein Risiko des Mieters (Wirtschaftlichkeit seines Betriebs), sondern ein übergeordnetes, die Solidargemeinschaft insgesamt treffendes allgemeines Lebensrisiko, verwirklicht. Solch eine Vertragsanpassung ist auch das mildere Mittel als eine Kündigung aus wichtigem Grund nach § 314 BGB. Bislang ist jedoch unklar, ob eine Berufung auf solch eine Störung der Geschäftsgrundlage durchsetzbar sein wird. Dies muss durch Gerichte entschieden werden.

Eine Minderung der Miete kommt nur in Betracht, wenn der Vermieter die Mietsache nicht zur Verfügung stellen kann. Wenn die Nutzung der Mietsache nicht möglich ist, entfällt auch die Mietzahlungspflicht. So kann es sein, dass die Nutzung der Mietsache durch Engpässe oder Ausfälle bei externen Versorgern wie beispielsweise für Wasser, Strom und Heizung, eingeschränkt ist. Ob der Vermieter hierfür einstehen muss, hängt davon ab, ob er diese Leistungen mietvertraglich schuldet oder der Mieter diese selbst beauftragt. In gewerblichen Mietverträgen ist die Haftung des Vermieters für Ausfälle externer Versorger jedoch regelmäßig vertraglich ausgeschlossen.

Mangelnde Lieferfähigkeit

Sofern es keine abweichenden vertraglichen Abreden der Parteien gibt, fällt die Materialbeschaffung in den Verantwortungsbereich des Auftragnehmers. Unterlässt er diese schuldhaft, hat der Auftraggeber einen Schadensersatzanspruch für die verzögerungsbedingt entstandenen Kosten. Dies setzt aber eine schuldhafte Pflichtverletzung des Auftragnehmers voraus. Beruht die fehlende Ausstattung mit Material auf höherer Gewalt, fehlt es an einer schuldhaften Pflichtverletzung.

Doch was ist höhere Gewalt? Höhere Gewalt wird allgemein als ein von außen einwirkendes und objektiv unabwendbares Ereignis definiert. Von dieser Definition werden grundsätzlich auch Epidemien – wie das neuartige Corona-Virus – erfasst. Eine „höhere Gewalt“ kann aber nur dann angenommen werden, wenn das vom Auftragnehmer geforderte Material auch tatsächlich nicht lieferbar ist. Dies erfordert eine genaue Prüfung, ob der leere Lagerbestand tatsächlich auf das Virus zurückzuführen ist oder auf mangelhafter Planung bzw. nicht ausreichenden Bestellungen beruht. Denn sobald dem Auftragnehmer ein Verschulden anzulasten ist, liegt keine „höhere Gewalt“ vor. Des Weiteren ist Vorsicht geboten, wenn Materialien doch noch – jedoch zu einem viel höheren Preis – beschafft werden können. Nach der Rechtsprechung fallen auch exorbitante Preissteigerungen in die Risikosphäre des Auftragnehmers, sodass nicht ohne weiteres von einer Störung der Geschäftsgrundlage, die zur Anpassung des Vertrages führen würde, ausgegangen werden kann. Was dem Auftragnehmer aber im Einzelfall zuzumuten ist und wie viel mehr er ggf. für Material zahlen muss, hängt von der Würdigung des Gerichts je nach Einzelfall ab.

Auch der Ausfall eines Nachunternehmers des Auftragnehmers aufgrund von Quarantänemaßnahmen ohne die Möglichkeit der Ersatzbeschaffung kann als „höhere Gewalt“ zu werten sein und damit unverschuldet. Die bloße „Angst“ vor dem Virus oder eine kostenintensive Ersatzbeschaffung sind keine Gründe für ein Fernbleiben von einem Projekt. In diesen Fällen kann sich der Auftragnehmer nicht auf höhere Gewalt berufen, sondern muss weiterhin das Projekt vorantreiben.

Laufende Verhandlungen

Wenn gerade der Abschluss von Verträgen vorbereitet wird und diese alsbald in die Tat umgesetzt werden sollen, empfehlen sich vertragliche Vereinbarungen zu höherer Gewalt bzw. außergewöhnlichen Ereignissen durch sog. „Force-Majeure-Klauseln“. Aufgrund der momentan unklaren Auswirkungen der Corona-Epidemie wird sich mehr und mehr die Frage stellen, ob es unvorhersehbar ist, dass Lieferengpässe, Preissteigerungen, Arbeitsausfälle, etc. eintreten werden. Der genaue Zeitpunkt, ab dem die Gerichte nicht mehr von einer Unvorhersehbarkeit entsprechender Beeinträchtigungen aufgrund der Corona-Epidemie ausgehen, lässt sich derzeit nur schwer abschätzen.

Mitwirkungspflichten

In der momentanen Situation haben beide Parteien Mitwirkungspflichten bzw. -obliegenheiten. Auch ohne explizite Regelung bestehen gegenseitige Fürsorge- und Schutzpflichten. So kann sich eine Informationspflicht ergeben, wenn es z.B. einen Coronavirus-Fall gibt in einem Unternehmern oder bei einer Partei und eine Gefährdung anderer Nutzer, Dienstleister oder Besucher eines Gebäudes nicht ausgeschlossen werden kann. Dann muss darüber informiert werden. Darüberhinaus gehende Schutzpflichten wie etwa Desinfektionspflichten von Gemeinschaftsflächen bestehen höchstens im Einzelfall. Dafür muss eine konkrete Gefahr, beispielsweise durch eine nachgewiesene Infektion vorliegen. Das allgemeine Infektionsrisiko ist hingegen als allgemeines Lebensrisiko hinzunehmen und reicht nicht aus, um besondere Schutzpflichten der Parteien zu begründen.

Auch sollten wichtige Termine mit einer Vielzahl an Personen, teilweise schon unter 10 Personen, derzeit verschoben werden, wie z.B. Bauabnahmen oder Vertragsbesprechungen. Soweit möglich, sollte eine Videokonferenz oder Telefonkonferenz vereinbart werden.

Außerdem sollten die derzeitigen Beschränkungen nicht allzu lasch genommen werden. Mit der Nichteinhaltung der Corona-Quarantäne verstoßen Betroffene nicht nur gegen das Infektionsschutzgesetz, sondern können sich außerdem der Körperverletzung schuldig machen. Das Strafgesetzbuch definiert diesen Tatbestand unter anderem als Schädigung der Gesundheit einer anderen Person. Ein Corona-Infizierter oder Ansteckungsverdächtiger, der gegen die Quarantäne verstößt und mit anderen Menschen in Kontakt tritt, nimmt wissentlich das Risiko in Kauf, diese anzustecken. Dies erfüllt den Tatbestand der vorsätzlichen Körperverletzung und wird mit einer Geldstrafe oder einer Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren bestraft. Es spielt hierbei keine Rolle, ob der Betroffene tatsächlich eine andere Person infiziert, da bereits der Versuch der Körperverletzung unter Strafe gestellt wird.