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Ist Adidas im Recht?

Eine über den Einzelfall hinausgehende Antwort gibt RA Esther Czasch, als Wirtschaftssenatorin im Diplomatic Council, engagiert:

Der Gesetzgeber hat im Schnelldurchlauf relevante Änderungen im Mietrecht beschlossen. So sind Mieter u.a. davor bewahrt, bei Zahlungsschwierigkeiten aufgrund des Coronavirus innerhalb eines Zeitraums zwischen dem 01.04.2020 und dem 30.06.2020 gekündigt zu werden. Aber die daneben bestehende Pflicht zur Zahlung der Miete ist nicht suspendiert worden und läuft daneben weiter.

Denn das Gesetz zur Abmilderung der Pandemiefolgen lässt die Verpflichtung zur Mietzahlung unberührt. Kommt der Mieter in kündigungsrelevanten Zahlungsverzug (2 Kaltmonatsmieten), muss der Mieter nach dem aktuellen Gesetzesentwurf einen Zusammenhang zwischen der COVID-19-Pandemie und dem eingetretenen Zahlungsverzug lediglich glaubhaft machen, um eine allein auf Zahlungsverzug gestützte Kündigung des Vermieters abzuwehren. Es treten somit Beweiserleichterungen zu Gunsten des Mieters ein, die auf Zahlungsverzug gestützte Kündigungen des Vermieters erschweren oder gar ausschließen können.

Es stellt sich aber die Frage, ob ein gewerblicher Mieter nicht dennoch die Miete mindern darf, ggf. komplett auf Null, wenn er sein Geschäft schließen muss und daher der betriebliche Zweck gar nicht erreicht werden kann. In der Jurisprudenz werden vielfältige Ansätze diskutiert (§ 313 BGB – Störung der Geschäftsgrundlage, § 275 BGB – Unmöglichkeit) und sogar, ob nicht eine Minderung der Miete nach § 536 BGB möglich ist. Sofern ein behördliches Nutzungsverbot dazu führt, dass ein Mieter den Mietgegenstand nicht mehr zum vereinbarten Mietzweck nutzen kann, kommt unter Umständen eine Mietminderung in Betracht, wenn die derzeitigen Probleme wegen Corona rechtlich als höhere Gewalt (Force Majeure) einzustufen sind.

Aber Achtung: Lag (noch) keine behördliche Schließungsanordnung vor als der Mieter seinen Betrieb ganz oder teilweise (beispielsweise wegen Corona-Fällen unter seinen Mitarbeitern) geschlossen hat, dürfte eine Mietminderung unter Hinweis auf höhere Gewalt nur schwer zu begründen sein, da für höhere Gewalt ein von außen einwirkendes (also betriebsfremdes), unvorhersehbares und auch unvermeidbares Ereignis verlangt wird. Die Schließung erfolgte hier jedoch durch eigene Entscheidung des Mieters.

Eine Minderung der Miete tritt nur dann ein, wenn ein sog. Mietmangel vorliegt. Das OLG Dresden (Beschluss vom 1. Juni 2017, 5 U 477/17) führte zu der Frage, ob und wann eine öffentlich-rechtliche Einschränkung des Gebrauchs einer Mietsache einen Mangel der Mietsache darstellt klar aus:

„Zwar können öffentlich-rechtliche Gebrauchsbeschränkungen oder -hindernisse zu einem Mangel der Mietsache (...) führen (...). Das gilt allerdings nur dann, wenn sie auf der konkreten Beschaffenheit der Mietsache beruhen und nicht in den persönlichen oder betrieblichen Umständen des Mieters ihre Ursache haben.“

Das Problem: Nahezu ausschließlich weisen gewerbliche Mietverträge betriebsbezogene Risiken und Einschränkungen dem Mieter zu. Dem Vermieter obliegt im Gegenzug nur die Sicherstellung der baurechtlichen Zulässigkeit des vermieteten Objekts. Die Rechtsprechung geht daher bei öffentlich-rechtlichen Beschränkungen des Betriebs davon aus, dass diese grundsätzlich das Verwendungsrisiko des Mieters betreffen und nicht zu einem Mietmangel führen. Eine behördlich angeordneten Einschränkung (oder gar Schließung) des Betriebs ist daher regelmäßig kein zur Mietminderung berechtigender Mangel der Mietsache. Das gilt nach Auffassung der Gerichte auch dann, wenn durch eine betriebsbezogene Beschränkung der Betrieb des Mieters vorübergehend unmöglich wird.

Auch ein sogenannter Umfeldmangel dürfte aus diesen Gründen in der aktuellen Corona-Situation nicht liegen. Eine Mietminderung infolge von Umfeldmängeln kommt nämlich nur in Betracht, wenn der Umfeldmangel bei Mietvertragsschluss für den Vermieter vorhersehbar war. Mit der Coronakrise dürfte niemand ernstlich gerechnet haben.

Der XII. Zivilsenat des BGH hat im Jahr 2015 entschieden, wann bei sog. Umweltmängeln eine Unmittelbarkeit der Einwirkung auf die Mietsache von außen gegeben ist oder nicht und zu einer Minderung führen kann. Eine Unmittelbarkeit wird z.B. dann bejaht, wenn es aufgrund von Baustellen zu einer "Einkapselung" von Gaststätten kommt, also Restaurants nur noch sehr schlecht oder gar nicht mehr erreichbar sind. Dann soll ein Mangel der Mietsache vorliegen (vgl. nur OLG Frankfurt, NZM 2015, 542).

Überträgt man dies auf die aktuelle Situation in Zeiten des Coronavirus, besteht eine Unmittelbarkeit bei einer behördlich angeordneten Schließung. Somit spricht viel dafür, eine Minderung - ggf. gar auf Null - zu bejahen.

Weiterhin könnte man zu einer Lösung über die Risikoverteilung kommen. Die meisten gewerblichen Mietverträge sehen nicht allein die Vermietung der (leeren) Flächen vor, sondern regeln meist sehr detailliert den beabsichtigten Miet- und Nutzungszweck. Der Mietzweck verpflichtet einerseits den Mieter, die Mietsache nicht über den vereinbarten Zweck hinaus zu nutzen. Andererseits verpflichtet er aber auch den Vermieter, dem Mieter ein Mietobjekt zu überlassen, das für die vereinbarte Nutzung geeignet ist.

Kann der Mietzweck, beispielsweise die Nutzung als Einzelhandelsgeschäft, infolge einer behördlichen Anordnung nicht mehr erreicht werden (z.B. Schließung ganzer Einkaufszentren), könnte hierin eine (vorübergehende) Unmöglichkeit der vermieterseitig geschuldeten Überlassung zu dem vereinbarten Zweck zu sehen sein. Gesetzliche Folge wäre, dass der Mieter von der Gegenleistung befreit wäre, also von der Zahlung Miete – und zwar für die gesamte Zeit der Unmöglichkeit. Weder andere Mieter noch der Vermieter selbst könnten die Flächen für die Dauer der behördlichen Anordnungen in einer vertragsgemäßen Weise nutzen. Das zeigt, dass die aktuelle Situation, deren Eintritt von den Parteien nicht einmal im Entferntesten bedacht wurde, in den meisten Fällen nicht vollumfänglich der Risikosphäre einer einzelnen Mietvertragspartei zugeordnet werden kann.

Damit ist aber vielen gewerblichen Mietern nicht geholfen, da sich in den Verträgen bzw. den AGB Minderungsausschlussklauseln befinden. Ob diese wirksam sind, ist in jedem Einzelfall zu prüfen. In der Rechtsprechung vieler OLGs ist die Tendenz absehbar, dass solche Klauseln unwirksam sind. Bei wirksamen Ausschlußklauseln kann man den Mietern nur empfehlen, möglichst schnell Feststellungsklagen gerichtet auf Feststellung der Berechtigung der Minderung zu erheben.

Handlungsempfehlung

Die Einstufung der derzeitigen Lage als höhere Gewalt mit den sich daraus ergebenden Konsequenzen erscheint denkbar, ist aber einzelfallabhängig. Insofern kann derzeit in der jetzigen Beratungssituation keine sichere Handlungsempfehlung gegeben werden.

Sofern die Parteien vorübergehend eine Anpassung der Mietzahlungen vereinbaren, ist unbedingt an das Schriftformerfordernis des § 550 BGB zu denken. Dieses gilt dann, wenn sich die Parteien auf eine finanzielle Anpassung des Mietverhältnisses verständigen. Das gesetzliche Schriftformerfordernis gilt weiterhin und wird auch in der besonderen Konstellation der Corona-Problematik nicht verdrängt. Das Gesetzesvorhaben zur Abschaffung des gesetzlichen Schriftformerfordernisses bei Mietverträgen liegt derzeit auf Eis, so dass nach wie vor die Schriftform einzuhalten ist.