Thought Leadership
Für die 2020er Jahre steht ein erneutes Wettrüsten auf der Agenda, nämlich im Weltraum. Schon seit den 1950er Jahren wird der Weltraum militärisch genutzt, anfangs vor allem von den USA und der Sowjetunion. Bereits damals begannen Bemühungen um Rüstungskontrolle im Weltraum. Wegen neuer technologischer Fähigkeiten insbesondere zur Entwicklung von Anti-Satelliten-Waffen und „Killer-Satelliten“, aber auch der möglicherweise nicht mehr völlig utopischen Vision einer Besiedlung fremder Planeten in ferner Zukunft, erlangte die Rüstungskontrolle im Weltall im 21. Jahrhundert wieder eine wachsende Bedeutung. Als Weltraumwaffen gelten zum einen bewaffnete Systeme wie etwa waffentragende Satelliten, die im Weltraum stationiert sind, und bewaffnete Raumgleiter, als auch Flugkörper, die im All um die Erde kreisen. Solche Systeme könnten Ziele im Weltraum oder auf der Erde angreifen. Zum anderen zählen auch bodengestützte Raketen, die zum Beispiel gegen Satelliten eingesetzt werden können, zu dieser Kategorie.
Weltraumvertrag mit Löchern
Schon der Vertrag über einen partiellen Atomteststopp von 1963 verbot Atomtests unter Wasser, in der Atmosphäre und im Weltraum. Er wurde von den USA, von Großbritannien und der Sowjetunion gemeinsam vorgeschlagen. Vier Jahre später gelang es nach zahlreichen Resolutionen von Seiten der UNO-Generalversammlung den so genannten „Weltraumvertrag“ abzuschließen. Er besagte, dass der Weltraum allen Staaten zur friedlichen Nutzung zur Verfügung stehen soll. Die Stationierung von Massenvernichtungswaffen im Weltraum wurde strikt verboten und jegliche militärischen Installationen auf allen Himmelskörpern untersagt. Der Weltraumvertrag ist völkerrechtlich das wichtigste Abkommen über die Begrenzung der militärischen Nutzung des Weltraums. Allerdings weist das Abkommen viele Löcher auf: Die Detonation von Atomwaffen im Weltraum, die Durchquerung des Alls mit waffentragenden Raketen aller Art, die Stationierung von konventionellen Waffen sowie von militärischen Aufklärungs-, Kommunikations- und Navigationssatelliten im Weltraum verbietet der Weltraumvertrag nicht.
Waffensysteme im Weltraum
Angesichts der technologischen Entwicklung besteht für die 2020er Jahre die Sorge, dass aktive Waffensysteme im Weltraum stationiert werden, etwa um von dort aus Satelliten oder Raketen oder sogar Objekte auf der Erde zu bedrohen. Daher fordert die UNO seit Jahren Verhandlungen, um eine Stationierung von aktiven Waffensystemen im Weltraum zu verhindern. Russland und China haben 2008 und abermals 2014 einen Entwurf für einen solchen Vertrag bei der UNO vorgelegt. Darin sollen sich die Teilnehmerstaaten verpflichten, keine Waffen tragenden Objekte im All oder auf anderen Planeten zu stationieren sowie einen umfassenden Gewaltverzicht gegenüber Weltraumobjekten erklären. Die USA lehnten jedoch einen derart umfassenden und verbindlichen Rüstungskontrollvertrag für den Weltraum ab. Immerhin waren die USA bereit, über „Regeln zum Verhalten im Weltraum“ zu verhandeln. Einen entsprechenden Vorschlag hat die Europäische Union erarbeitet. Er setzt auf freiwillige Informationsverpflichtungen sowie transparenz- und vertrauensbildende Maßnahmen für die friedliche Nutzung des Weltraums, ohne jedoch irgendwelche Verbote für Weltraumwaffen zu enthalten. Die Gespräche darüber haben bisher zu keinem Ergebnis geführt. Es darf zudem bezweifelt werden, dass China bereit wäre, einer solchen Vereinbarung zuzustimmen.
China erobert das All
Während die Anfänge der Menschheit im Weltraum nämlich vor allem von den Vereinigten Staaten von Amerika und der Sowjetunion bestimmt wurden, wird in den 2020ern mit Sicherheit China mitmischen wollen. Es hat geradezu symbolischen Charakter, dass die Volksrepublik China im ersten Jahr der neuen Dekade erstmals ihre Nationalflagge auf dem Mond hisste. Das nach der chinesischen Mondgöttin benannte Raumschiff „Chang'e 5“ hat die zwei Meter breite und 90 Zentimeter hohe chinesische Fahne im Jahr 2020 im Rahmen einer unbemannten Mondlandung aufgestellt.
Weltall der Billionäre
Auftrieb erhält die Eroberung des Weltraums zudem in den 2020er Jahren offensichtlich von privatwirtschaftlicher Seite. Unternehmungen bekannter Milliardäre wie Virgin Galactic (Richard Branson), Blue Origin (Jeff Bezos) und SpaceX (Elon Musk) haben sich längst auf den Weg gemacht, den Weltraum zu kommerzialisieren. Sie wetteifern um das künftige Billionen-Geschäft mit Reisen ins All und möglicherweise irgendwann einmal mit einer Besiedlung fremder Himmelskörper. Man darf unterstellen, dass es bei diesen zivilen Anstrengungen vor allem darum geht, die Gründer aus dem Stand der Milliardäre in die künftige Riege der Billionäre zu katapultieren. Aber ebenso wahrscheinlich werden die dabei gewonnenen Erkenntnisse und Fortschritte in die militärischen Pläne zur Eroberung des Weltraums einfließen. So steht uns für die 2020er Jahre und vermutlich weit darüber hinaus eine unheilige Allianz von unternehmerischer und staatlicher Seite ins Haus, mit der die Menschheit ins Weltall aufbrechen wird.
Von Star Trek bis Star Wars
Wer in seiner Jugend gerne „Star Trek“ (Raumschiff Enterprise) oder „Star Wars“ (Krieg der Sterne) gesehen hat, mag sich mental auf die damit verbundenen Szenarien vorbereitet fühlen.