Thought Leadership

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Markus Miksch
Wie lange wollen wir leben?

Von DC Mitglied Markus Miksch hat an den im DC Verlag erschienenen Büchern "Pandemie", "Falsche Pandemie" und "Ewige Pandemie" als Autor mitgewirkt.

In beinahe allen Religionen galt der Tod seit Menschengedenken als ein unausweichliches Schicksal. Das Epos von Gilgamesch, die Bibel, der Koran, die Veden der Hindus – überall steht geschrieben, dass wir sterben, weil Gott oder der Kosmos oder Mutter Natur es so wollen. Wir Menschen haben demütig zu akzeptieren, dass jeder von uns eines Tages die irdische Welt verlassen muss und es gibt nichts, was wir dagegen tun können.

Der Tod als technisches Problem

Doch dann kam die wissenschaftliche Revolution und mit ihr die Gewissheit, dass der Tod kein göttliches Dekret ist, sondern ein technisches Problem. Wir sterben nicht, weil uns ein göttliches Wesen abberuft, sondern weil unser Herz aufhört zu schlagen, Krebszellen unsere Organe zerstören oder ein Virus unsere Lunge auffrisst. Aber technische Probleme in den Griff zu bekommen, das ist das Wesen unserer modernen wissenschaftsbasierten Gesellschaft. Unsere moderne Welt gibt sich fest davon überzeugt, dass wir für jedes technische Problem über kurz oder lang eine technische Lösung finden. Zu Ende gedacht, heißt das nichts anderes, als dass wir uns auf dem Weg befinden, ewig zu leben.

 

Tatsächlich ist die Lebenserwartung in den vergangenen zwei Jahrhunderten von unter 40 Jahren auf 72 in der ganzen Welt und auf über 80 in den Industrieländern gestiegen. Nicht zuletzt dieser Erfolg hat unser Weltbild grundlegend verändert. Während für traditionelle Religionen das Leben nach dem Tod der eigentliche Sinn der Existenz war, hat unsere Gesellschaft spätestens seit dem 18. Jahrhundert jegliches Interesse am Leben nach dem Tod verloren. Wir wollen jetzt und auf ewiglich leben.

Wissenschaft gegen Religion

Umso gravierender war der Schock, also im Jahr 2020 die Geschichte vom todbringenden Virus um sich griff, die Menschen aller Religionen und aller Ideologien den Spiegel vor Augen hielt: die eigene Sterblichkeit. Wird es unsere Gesellschaft lehren, künftig dem Tod demütiger gegenüberzustehen? Sicherlich nicht! Ganz im Gegenteil war die Reaktion auf das Coronavirus weder Demut noch Resignation, sondern ein weltweiter Wettlauf der Wissenschaft, so rasch wie möglich die Lösung für das überraschend aufgetauchte Problem zu finden. Die Jagd nach dem Impfstoff nahm ihren Lauf. Kaum einer ließ sich damit trösten, dass das Virus vielleicht eine göttliche Vergeltung für die Sünden der Menschheit sei, und hoffte auf ein besseres Leben im Jenseits. Die katholische Kirche wies die Christen an, sich von Gottesdiensten fernzuhalten. In Israel schlossen die Synagogen. Die Islamische Republik Iran bestrafte Gläubige, die Moscheen aufsuchten. Mit anderen Worten: Selbst die ältesten Religionen der Welt vertrauten eher den Erkenntnissen der Wissenschaft – Abstand halten hilft gegen Ansteckung – als ihren eigenen religiösen Grundfesten.

Ewiges Leben statt ewiger Pandemie

Die Demut der Menschen vor dem Tod wird nicht zurückkehren, sicherlich nicht in den nächsten Jahrzehnten, vermutlich auch nicht in den nächsten Jahrhunderten, möglicherweise nie mehr. Der Glaube an das Leben nach dem Tod ist überwiegend dem Glauben an den wissenschaftlichen und technischen Fortschritt gewichen. Die Gewissheit, dass es „irgendwann“ gelingen wird, die Menschen „ewig“ im Diesseits leben zu lassen, ist höher als die Gewissheit auf ein Leben nach dem Tod. Die Pandemie 2020/21 hat daran gewiss nichts geändert.