Thought Leadership

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Ulf Camehn
Best Practice gegen Fachkräftemangel

Von Interim Manager und DC Mitglied Ulf Camehn

Das Wort Fachkräftemangel ist in aller Munde. Und, dass die junge Generation mehr Wert auf Work Life Balance lege als auf die eigene Karriere. Sicherlich sind das pauschale Attitüden. Dennoch beobachte ich in der Praxis und in meinem Umfeld tatsächlich, dass es mittelständischen Unternehmen zunehmend schwerer fällt, die richtige Person für die zu besetzende Stelle zu finden.

Ursachenforschung

Es gibt sicherlich nicht den einen Grund, weshalb es Firmen immer schwerer fällt, die Vakanz zeitnah, kompetent und insbesondere nachhaltig zu besetzen.

Folgende Top 5 habe ich ausgemacht:

Fehlinterpretation von Lebensläufen

Anstatt auch kurze Berufsstationen als den Lauf des Lebens zu begreifen (darum heißt es ja Lebenslauf), werden solche Bewerber kurzerhand aussortiert oder sind von vornherein mit einem Makel behaftet. Selten wird sich die Mühe gemacht, mögliche Hintergründe zu erfragen. War es vielleicht genau in der Corona-Zeit? Oder ging die Firma in die Insolvenz? Gab es private Schicksalsschläge? Fusionierte die Firma, so dass es im Zuge der Leistungsverdichtung die Stelle gestrichen wurde?

Kinderwunsch unterstellen

Man kann es den Firmen nicht recht machen. Mit 20 zu jung, mit 30 schwanger, mit 40 zu teuer und mit 50 zu alt. So ungefähr dürfte das jedem bekannt vorkommen. Sicherlich ist es ärgerlich, wenn Mitarbeiterinnen in den Mutterschutz oder in die Elternzeit gehen. Das der Gedanke - wie lange die Kandidatin uns wohl erhalten bleibt - in den Hinterköpfen der Entscheider präsent ist, ist nicht das Problem. Das Problem entsteht erst dann, wenn es den Blick auf die Chancen und Potentiale des jeweiligen Profils verstellt. Man weiß nicht ob es so kommt und wann es so weit ist. Man verkennt man auch die Frage, wer in Zukunft unsere Produkte und Dienstleistungen kaufen soll. Das Geld kommt immer vom Kunden und erst dann vom Chef!

Fantasielosigkeit

Die Gedanken sind häufig zu stark auf die ausgeschriebene Stelle ausgerichtet. Zu viel Mühe hat man sich gegeben, zumindest ein paar Spiegelstriche zum Aufgaben- und Verantwortungsgebiet zusammenzutragen. Kein Kandidat passt i. d. Regel perfekt. Und wenn es für die ausgeschriebene Stelle tatsächlich geeignetere Bewerber gibt, machen sich die wenigsten Fach- und Personalverantwortlichen die Mühe, mit der Kandidatin bzw. dem Kandidaten über andere mögliche Einsatzbereiche zu sprechen. Sehr häufig suchen Bewerber Perspektiven, Möglichkeiten zur Weiterentwicklung oder möchten einfach mal was Neues ausprobieren. 

Zu lange Reaktionszeit

In der Regel bewerben sich Kandidaten nicht nur auf eine Stelle. Der Reaktionszeit des Unternehmens kommt eine entscheidende Bedeutung zu. Für Führungskräfte muss es Prio A sein, eingehende Bewerbungen am Tag des Eingangs durchzusehen. Ist der Kandidat interessant, habe ich sehr gute Erfahrungen damit gemacht, diesen einfach anzurufen. Zu signalisieren, dass die Unterlagen eingegangen sind, man sich ggf. noch abstimmen muss, und dann kurzfristig zwecks Terminvereinbarung auf den Bewerber zukommt (max. 1 Tag später). 

Branchenhintergrund überbewerten

Insbesondere bei zu besetzenden Führungspositionen wird dieser Fehler häufig gemacht. Man käme bei keinem Bilanzbuchhalter, Entgeltabrechner, IT-Administrator etc. auf die Idee, den Branchenhintergrund derart in den Fokus zu rücken. Warum macht man das bei Führungskräften?

Führungskräfte: Worauf es ankommt

Führungspositionen werden besetzt, um Aufgaben- und Verantwortungsgebiete zu entwickeln und Probleme zu lösen. Führen, entwickeln, delegieren und entscheiden sind sicherlich die Kernthemen. Fachliche bzw. branchenspezifische Themen kann man sich aneignen. Die vorgenannten Skills hat man oder hat man nicht. Von daher verstehe ich den verfestigten Fokus auf den branchenspezifischen Erfahrungshintergrund bei Führungskräften nur bedingt.  

Unternehmen nehmen sich auch Chancen. Führungskräfte aus anderen Branchen bringen neue Impulse ein, andere Herangehensweisen und ein eigenes Netzwerk.

Das Umsetzungskompetenz wichtiger als der Branchenhintergrund sein kann, verdeutliche ich an einem persönlichen Beispiel:

Best Practice: Personalabbau über Interessenausgleich und Sozialplan in der Logistik

Meine Aufgabenstellung

Die Tochtergesellschaft eines internationalen Logistikkonzerns kämpfte seit vielen Jahren gegen rückläufige Tonnagen. Insbesondere war der Stahlumschlag, auch bedingt durch gestiegene Import-Zölle, seit Jahren rückläufig. Umsatz und Wertschöpfung sanken bis dato schneller als die Personal- und Sachkosten. Das Unternehmen entstand im Jahr 2017 aus der Verschmelzung von drei Gesellschaften und war zu diesem Zeitpunkt hoch defizitär. In dem Zusammenhang war sie Fokus-Gesellschaft im konzerninternen „Rote-Einheiten-Reporting“ mit erhöhten Berichtsanforderungen.

Entsprechend ergab sich auch ein sehr heterogenes Bild hinsichtlich der vorhandenen Arbeitsverträge und Betriebsvereinbarungen. Auf Basis einer Vorstandsvorlage hatte die Konzernmutter der Tochtergesellschaft ein Budget in Höhe von 1,5 Mio. Euro zum Personalabbau freigegeben. Zu berücksichtigen war, dass nach der Personalmaßnahme mit geringerer Belegschaft die voraussichtlich gleiche Anzahl an Terminals zu bedienen war. Entsprechend musste darauf geachtet werden, nicht die leistungsfähigen, flexiblen und engagierten Mitarbeiter zu verlieren.

Ich hatte seinerzeit nie etwas mit der Logistikbranche zu tun. Schon gar nicht mit dem Sonderbereich Port Logistics.

In den Gesprächen mit dem Personalberater und dem CEO des Logistikers erkannte man mein branchenunabhängiges Potential, insbesondere im HR-Bereich:

  • Versierter Umgang mit Betriebsräten und Gewerkschaften.
  • Gute Kenntnisse im Arbeitsrecht.
  • Sanierungs- und Restrukturierungshintergrund (Certified Expert for Insolvency Management und einen umfangreichen, belastbaren Track-Record).
  • Fähigkeit, mich schnell in neue Themen einzuarbeiten.
  • Nahbarer Führungsstil, der es mir erlaubt, zu allen Hierarchieebenen schnell eine Beziehung aufzubauen.
  • Nachgewiesene Umsetzungskompetenz.

Als eingetragener Geschäftsführer (CRO) ad Interim machte ich mich gemeinsam mit dem Team und einem operativen Geschäftsführer an die Aufgabe.

Das Ergebnis:

  1. Reduzierung der Belegschaft um 21 Mitarbeiter mit einer Kosteneinsparung von fast 1 Mio. Euro.
  2. Keine einzige Kündigungsschutzklage.
  3. Es wurden fast ausschließlich Mitarbeiter abgebaut, die auf der ursprünglichen Namensliste standen. Dies waren Mitarbeiter mit hohen Fehlzeiten, geringer Einsatzbereitschaft und geringer Flexibilität.
  4. Darüber hinaus Veräußerung von defizitären Standorten.
  5. Grundsteinlegung zur Vereinheitlichung der teilweise sehr heterogenen arbeitsvertraglichen Regelungen.
  6. Gleichzeitige Ressortverantwortung Rechnungswesen, Controlling und Qualitätsmanagement.

Restriktive und expansive Sanierungsmaßnahmen wurden gleichermaßen vorangetrieben, so dass das Unternehmen heute wieder stabile, nachhaltige schwarze Zahlen schreibt.

Das Beispiel zeigt eindrucksvoll, dass Umsetzungskompetenz die Schlüssel-Expertise ist. Insbesondere dann, wenn es schnell gehen muss.

Es gibt zudem keine anderen Führungskräfte als Interim Manager, die im Laufe ihres Berufslebens so viele Unternehmen kennenlernen und dabei verschiedene unternehmerische Herausforderungen bewältigen.

Die vollstände Case Study findet sich beim DC Firmenmitglied United Interim unter https://www.unitedinterim.com/blogs/logistik-personalabbau-ueber-interessenausgleich-und-sozialplan.html