Thought Leadership
Auf der UN-Generalversammlung 2024 wurde unter der Federführung von Deutschland und Namibia ein neuer Versuch unternommen, die Vereinten Nationen einer Reform zu unterziehen. Der Anspruch des sogenannten Zukunftspakts ist hoch: Er soll die United Nations fit machen für die Probleme des 21. Jahrhunderts. Der Pakt enthält rund 50 Aktionspunkte, von der Bekämpfung von Hunger und Armut über die Friedensmissionen der UN bis hin zur Ablehnung des Wettrüstens im Weltall und der Forderung nach einer globalen Regulierung der Künstlichen Intelligenz. Die Initiative zur erneuten Reformierung hatte Generalsekretär António Guterres drei Jahre zuvor, 2021, ergriffen. Das von Deutschland und Namibia umgesetzte Reformpaket lobt er dementsprechend als „wichtigen Schritt, um die internationale Zusammenarbeit zu reformieren“ und betonte in New York: „Wir sind hier, um den Multilateralismus vor dem Abgrund zu retten.“ Doch tatsächlich ist der Zukunftspakt von 2024 wohl in allererster Linie dazu gedacht, die UN selbst vor dem Abgrund zu bewahren. Denn wie realistisch ist es, dass die USA oder China ihre Aktivitäten im Weltraum oder ihre KI-Forschung den Wünschen der Staatengemeinschaft unterwerfen – eher unwahrscheinlich.
50 Jahre alter Plan
Der Plan sieht auch deutliche Veränderungen in der internationalen Finanzarchitektur, also bei Weltbank und Internationalem Währungsfonds IWF vor, so dass die Länder des globalen Südens einfacher an Kredite kommen sollen. Doch genau das hatten die wirtschaftlich weniger entwickelten Länder bereits vor 50 Jahren versucht – vergeblich. In einer UN-Sondergeneralversammlung wurde 1974 die „Erklärung über die Errichtung einer neuen Weltwirtschaftsordnung“ angenommen, ergänzt durch eine „Charta der wirtschaftlichen Rechte und Pflichten der Staaten“. In dieser Erklärung einigte man sich auf faire Preise für die Dritte Welt, die stufenweise Beseitigung von Handelshemmnissen, um für die Entwicklungsländer den Zugang zu den Märkten der Industrieländer zu erleichtern, und eine kräftige Aufstockung der Entwicklungshilfe.
„Neue Ordnung“ nur auf dem Papier
Alle Länder stimmten dieser „neuen Ordnung“ zu, auch die Industrienationen. Daher gingen die Entwicklungsländer in den 1970er Jahren fest davon aus, über die Vereinten Nationen den Anschluss an den Wohlstand der westlichen Industriewelt zu erreichen. Es entpuppte sich als ein gewaltiger Irrtum und eine maßlose Enttäuschung für die Entwicklungsnationen, als sie in den Folgejahren erkennen mussten, dass die Verabschiedung der Charta zwar gut gemeint, aber keineswegs ernst gemeint war. Denn als es zur Sache ging, ließ der Westen seinem Verhandlungsgeschick freien Lauf und drehte die Geldhähne kaum auf. Bei der Weltbank, im Internationalen Währungsfonds und im Allgemeinen Zoll und Handelsabkommen (GATT) gab es einige wenige vernachlässigbare Zugeständnisse der Industrienationen, aber die erwartete Strukturveränderung im Welthandelssystem blieb aus. Eine „neue Weltwirtschaftsordnung“ entstand nur auf dem Papier der Vereinten Nationen, aber eben nicht in der Realität.
Kleinster gemeinsamer Nenner
António Guterres hatte wohl durchaus eine ehrgeizige Reformagenda im Sinn, als er die Initiative zur Reformierung der Vereinten Nationen anstieß. Aber am Ende haben sich die Mitgliedsstaaten nur auf den „kleinsten gemeinsamen Nenner“ einigen können – und es bleibt abzuwarten, ob der Zukunftspaket die 30 Seiten Papier wert ist, auf denen er niedergeschrieben wurde.