Thought Leadership

Rede von DC President Prof. Dr. Heinrich Kreft auf dem DC Space Dinner (Mai 2025, Frankfurt)
Weltraum, Weltraumpolitik ist eines der Megathemen, wenn nicht sogar das Megathema unserer Zeit und für die nächsten Jahre. Der ein oder andere von Ihnen hat vielleicht schon in unserem Buch geblättert, Kampf ums All. Die Ökonomisierung des Weltalls ist in vollem Gange. Die Raumfahrt und ihr Nutzen für die Volkswirtschaft und für die Sicherheit und Verteidigung steht im Zentrum der nationalen Strategien der Vereinigten Staaten, der Volksrepublik China, aber auch aller anderen aufstrebenden Weltraumnationen wie zum Beispiel Indien.
Sie haben vielleicht das Zitat von Donald Trump gelesen oder gehört, von Anfang des Jahres nach seiner Übernahme der Präsidentschaft, als er sagte "You can't be number one on earth, if you are number two in space". Wo steht hier Europa, wo stehen wir in Deutschland?
Europa kann bisher nicht den Status einer Raumfahrtnation beanspruchen. Obwohl in Raumfahrtanwendungen für Erdbeobachtung, für Navigation, für Meteorologie durchaus führend oder mitführend, hinkt unser Kontinent in zwei kritischen Bereichen dramatisch hinterher, nämlich in der bemannten Raumfahrt und in der Sicherheits- und Verteidigungsdimension inklusive der dualen Nutzung des Weltraums. Angesichts der Rolle der Raumfahrt im Ukraine-Krieg und der Entwicklung einer globalen Raumfahrtwirtschaft und kommerzieller Raumfahrtstationen ist eine neue strategische Positionierung Europas und Deutschlands in der Raumfahrt von allerhöchster Dringlichkeit.
New Space, die Kommerzialisierung von Raumfahrt und ihre zunehmende Verzahnung mit der Non-Space-Wirtschaft gewinnt weltweit rasant an Bedeutung. Im digitalen Zeitalter ist die Raumfahrt Schlüssel für Zukunftstechnologien wie autonomes Fahren, Industrie 4.0, für das Internet der Dinge, aber auch für die globale Konnektivität in Echtzeit an jedem Ort der Welt. Gerade für ein Hightech und Industrieland wie Deutschland spielt sie folglich eine herausragende Rolle oder sollte zumindest eine herausragende Rolle spielen. New Space trägt dazu bei, unsere Wirtschaft und unsere Gesellschaft nachhaltiger, digitaler und innovativer zu machen und die Wettbewerbsfähigkeit in vielen Bereichen zu stärken. Auf EU-Ebene geht es um nicht weniger als um Europas Platz am Tisch des neuen Raumfahrtzeitalters.
Dabei geht es nicht nur um die Größe des Weltraumsektors selbst, der zurzeit weltweit mit 500 Milliarden US-Dollar schon auf eine ziemlich große Größe geschätzt wird, sondern es geht auch um den Nutzen für die Gesamtwirtschaft. Für die Gesamtwirtschaft zum Beispiel in Bereichen wie Pharma, Biotech, digitales, aber auch Agrarwirtschaft, Energie, Automobilsektor haben bereits genannt, zur Effizienzsteigerung bestehender und Erschließung neuer Märkte. Das Space Race 2.0, 55 Jahre nach Apollo 11, hat trotz aller Geschwindigkeit gerade erst begonnen. Es nur für maximal zwei bis fünf Jahre, wie die meisten Experten meinen.
Hierbei gewinnt die Sicherheitsdimension des Weltraums weiter an Bedeutung. Weltweit beträgt der Anteil der Sicherheits- und Verteidigungsfinanzierung an den öffentlichen Raumfahrtbudgets mehr als 50 Prozent oder 54 Milliarden Dollar im Jahr 2023. Die Zahlen vom letzten Jahr waren geringfügig höher. Raumfahrt war von Beginn an dual in seiner Nutzung und weit über die unmittelbare militärische Verwendung hinaus trägt die Raumfahrt zunehmend zur gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Widerstandsfähigkeit, das heißt zur Resilienz, zum Schutz kritischer Infrastrukturen, zum Beispiel für Digital und Kommunikation, für Transport, für Energie, für sichere Lebensmittel, aber auch für Wasserversorgung und Umweltsicherheit, mit zudem den Naturkatastrophen, das heißt für den Zivilschutz, für unser Überleben als Menschheit schlechthin. Um den Anschluss nicht zu verlieren, muss sich Europa zu einer klaren Raumfahrtpolitik bekennen mit ambitionierten Zielen für beides, für Wirtschaft und Verteidigung und für die Weiterentwicklung der dazu notwendigen, eigenständigen und wettbewerbsfähigen europäischen Raumfahrtindustrie.
Dies gilt es, in eine Raumfahrtstrategie zu übersetzen, die dem dualen Charakter der Raumfahrt dann auch Rechnung trägt in Synergie mit der zunehmenden Kommerzialisierung des Sektors, wie es aufgrund der jüngsten Entwicklungen in den USA mit Donald Trump, mit Elon Musk, mit Jeff Bezos und anderen zu erwarten ist. Zurzeit investiert Europa lediglich 0,07 Prozent seines Bruttoinlandsprodukts oder gerade mal 14 Milliarden Euro pro Jahr in seine Raumfahrt und fast ausschließlich im zivilen Bereich. Die USA allein investieren mittels NASA und dem Pentagon, dem Verteidigungsministerium, ungefähr das Fünffache. Vor allem unser Land, vor allem Deutschland ist hier gefragt. Die größte Volkswirtschaft Europas investiert heute nur halb so viel Geld für die Raumfahrt wie Frankreich, zurzeit sogar mit sinkender Tendenz.
Der Weltraum wird dabei auch zu einem Instrument der Diplomatie. Mein Fach dort, wo ich seit vielen Jahren zu Hause bin, die USA haben mit den Artemis Accords und China in vielen Teilen der Welt bereits verschiedene Allianzen geschmiedet. Auch Europa verfügt über viele Kontakte weltweit und auch diese könnten wir nutzen, indem wir auch im Bereich der Raumfahrt, des Weltraums mit unseren traditionellen Partnern stärker kooperieren und damit auch unser industrielles Wachstum und das dieser Partner vorantreiben.
Europa ist meines Erachtens aufgerufen, Rolle in der Welt gerecht zu werden und den Nutzen der Raumfahrt für Wohlstand, für Frieden und Sicherheit für uns selbst, für Europa, aber eben auch für unsere Partner zu realisieren. Dabei kommt unserem Land, dabei kommt Deutschland gemeinsam mit Frankreich eine besondere Rolle zu. Laut Koalitionsvertrag hat die Bundesregierung, die neue Bundesregierung offensichtlich die Zeichen der Zeit erkannt und will der Raumfahrt einen deutlich höheren Stellenwert beimessen. Das stimmt mich, das sollte uns alle zuversichtlich stimmen.