Thought Leadership
Nach dem Ersten Weltkrieg mit 20 Millionen Toten gründete die internationale Staatengemeinschaft den Völkerbund mit einem einzigen Ziel: einen weiteren Weltkrieg zu verhindern. Der Völkerbund versagte. Rund 20 Jahre später begannen die Vorbereitungen für den Zweiten Weltkrieg, der über 50 Millionen Menschenleben kostete. Die Organisation der Vereinten Nationen (United Nations Organisation) wurde ins Leben gerufen, um einen dritten Weltkrieg zu verhindern. Ist ihr das bislang gelungen? Darüber mag man streiten. Tatsächlich hat bisher niemand einen dritten Weltkrieg ausgerufen.
Aber der Krieg ist schon seit Jahren längst nicht nur im Gange, sondern schlimmer noch auf dem Vormarsch. Heute toben weltweit mehr Kriege als je zuvor. Auf fünf von sieben Kontinenten herrscht Krieg. Die weltweite Zahl der militärischen Konflikte steigt seit Jahren stetig an, ebenso wie die Zahl der Opfer und der Flüchtlinge, die den Kriegen entkommen und ihr Leben retten wollen. Selbst in der bislang größten Katastrophe des 21. Jahrhunderts, der weltweiten Ausbreitung des Coronavirus, ist es der UNO über Monate hinweg nicht gelungen, auch nur eine verbindliche Resolution über einen weltweiten Waffenstillstand zu verabschieden; vom häufig kritisierten Vorgehen der zur UNO gehörenden Weltgesundheitsorganisation WHO angesichts der Pandemie ganz zu Schweigen. Ganz im Gegenteil steht die Idee des Multilateralismus, also das abgestimmte gemeinsame Handeln der Staatengemeinschaft, seit Beginn der 2020er Jahre stärker in Frage als zu Zeiten des Kalten Krieges.
Drücken wir alle die Daumen, dass es der UNO gelingt, dauerhaft den Weltfrieden und die Gesundheit der Welt zu sichern. Aber nach allem, was wir heute sehen, werden die Vereinten Nationen ebenso wie ihre Vorgängerorganisation versagen. Die nächste Katastrophe oder gar der dritte Weltkrieg scheinen unvermeidbar. Angesichts von 500 Kriegstoten pro Tag (!) muss man sich die Frage stellen, ob er nicht im Grund schon längst ausgebrochen ist, auch wenn ihn keiner verkündet hat.
Wer daraus die Schlussfolgerung zieht, die Vereinten Nationen seien verzichtbar oder gar überflüssig, der irrt allerdings gewaltig. So schwach die UNO häufig in ihrem politischen Wirken ist, so stark ist ihre Hilfe für Menschen in Not. Millionen von Menschen in vielen Teilen der Erde sind nur deswegen noch am Leben, weil sie vom Flüchtlings- oder vom Kinderhilfswerk, vom Welternährungsprogramm oder von der Weltgesundheitsorganisation der Vereinten Nationen Hilfe erhalten haben.
Es mag sein, dass die UNO dabei versagt, die Welt zu retten, aber für diejenigen Menschen, denen Rettung zuteil wird, ist es die Welt. Deshalb sind die Vereinten Nationen unverzichtbar, trotz all ihrer Schwächen und selbst dann, wenn sie die nächste Katastrophe nicht verhindern können.