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Der Hessische Polizeipräsident Robert Schäfer
Polizeipräsident Robert Schäfer berichtet

Bei dem Vortrag des Hessischen Polizeipräsidenten Robert Schäfer im Rahmen eines "DC Dinner & Discussion" drehte sich alles um die Zusammenhänge zwischen Demokratie und ihren Institutionen und der Frage, welche Rolle die Polizei dabei spielt. „Die wichtigste Waffe der Polizei ist die Sprache. Leider wird uns immer weniger zugehört“.  Der Verlust an Respekt in Teilen der Bevölkerung stellt die Polizei ebenso vor Herausforderungen wie aktuelle Entwicklungen im Netz. Die sozialen Netze verstärken die Abkehr vom Vertrauen in Wissenschaft und Wahrheit, weil viele Menschen in ihrer Infoblase nur noch das sehen, was ihrem Gedankengut entspricht. Die Polizei wird dabei als Eindringling empfunden, der die eigenen Kreise stört.

Jugendkriminalität auf dem Vormarsch

Das Vertrauen in die Institutionen der Demokratie ist auf dem Rückgang. Hingegen war die Jugendkriminalität im letzten Jahr in Hessen auf dem Vormarsch; es wurden ein Drittel mehr Täter ermittelt. Der demokratische Grundpfeiler, mit Widerstand aggressionsfrei umzugehen, ist ins Wanken geraten. Viele jungen Menschen können Stress heutzutage nicht mehr gewaltfrei verarbeiten. Viele tragen im Alltag Messer mit sich, wenn sie auf die Straße gehen. Im letzten Jahr kam es zu mehreren 1.000 Angriffe auf Polizisten allein in Hessen.

Rechtsextremismus: größte Gefahr für die Demokratie

Über 1.100 Delikte waren 2022 dem Rechtsextremismus zuzuordnen, bei weitem die größte Gefahr für unsere Demokratie – vor allem, weil er anschlussfähig aus der Mitte unserer Gesellschaft heraus geworden. Der antiextremistische Konsens unserer Gesellschaft hat Kratzer oder sogar Risse bekommen. Die hessische Polizei hat in den beiden letzten Jahren so viele illegale Waffen sichergestellt wie nie zuvor – darunter „alles, was es auf dieser Welt zu handeln gibt“. Zudem ist es mit  über 1.000 Schützenvereinen, in denen sich mehr als 100.000 Mitglieder organisieren, recht leicht, an legale Waffen heranzukommen, vom Luft- bis zum Langlaufgewehr. Der Hessische Innenminister versucht seit über vier Jahren eine gesetzliche Grundlage zu schaffen, dass dem Verfassungsschutz bekannte Extremisten überhaupt keine Waffen mehr besitzen dürfen, also auch keine legalen. Doch eine entsprechende gesetzliche Regelung hat der Deutsche Bundestag zweimal abgelehnt. Daher müssen wir jeden Einzelfall bearbeiten und vor Gericht bringen – mit zunehmendem Erfolg, aber mit sehr hohem Aufwand.

Kampf gegen Rechtsextremismus

Rund 300 Polizisten sind tagtäglich nur mit dem Kampf gegen Rechtsextremismus befasst. In Frankfurt ist sogar eine „digitale rechte Universität“ ans Netz gegangen. Der Lehrstoff: alle Argumente des Rechtsextremismus, um dieses Demokratie-zerstörende Gedankengut intellektuell anspruchsvoll in die Mitte unserer Gesellschaft hineinzutragen und damit zu einem politischen Faktor zu machen. Die „Professorenschaft“ stammt aus ganz Europa. Zwischenzeitlich hat diese „Universität der Extremisten“ ihren Sitz in Frankfurt aufgegeben; aber das ist für die Verbreitung im Netz im Grunde egal. Hessen hat zur Abwehr aller dieser Gefahren ein Extremismus-Terrorismus-Abwehrzentrum gegründet.

Zunahme der Ladendiebstähle nach Corona

Das letzte Jahr war in Hessen auch durch einen Anstieg um rund 20.000 Diebstählen geprägt, 110.000 statt 90.000 im Jahr zuvor. Der Schwerpunkt lag dabei auf Ladendiebstählen. Auch so kann eine Folge der Corona-Zeit, in der man stark eingeschränkt war, aussehen. Wenn Menschen mehr in die Geschäfte gehen, zieht das auch solche Entwicklungen mit sich.

Gute Ausbildung und Ausstattung in Hessen

Der Hessischen Polizei stehen 2023 rund 2,1 Milliarden Euro zur Verfügung, um ihre Aufgaben zu erfüllen. Vor zehn Jahren lag das ungefähr bei der Hälfte. Heute verfügt Hessen über eine der besten Polizeiorganisationen gemessen an der Ausbildung und der Ausstattung im Vergleich der Bundesländer. Eine wichtige Aufgabe besteht darin, nicht nur Sicherheit zu gewährleisten, sondern der Bevölkerung auch das Gefühl von Sicherheit zu vermitteln. Deshalb ist das Sprengen von Geldautomaten hochgefährlich: Obwohl es nur ein paarmal im Jahr dazu kommt, verursacht es bei den Menschen ein Gefühl der Unsicherheit. Bei den Automatenknackern handelt es sich überwiegend um ausländische Banden mit offenbar hoher Gewaltbereitschaft.

Eines der sichersten Bundesländer

Objektiv betrachtet gehört Hessen zu den sichersten deutschen Bundesländern. Hatten wir früher bis zu 400.000 Straftaten im Jahr, so waren es 2022 „nur“ 268.000. Beinahe zwei Drittel aller Straftaten werden aufgeklärt, also ein Täter ermittelt , der sich der Justiz stellen muss. Insgesamt waren das im letzten Jahr rund 100.000 Täter, etwa 20.000 mehr als im Jahr zuvor.

Kampf gegen Kindesmissbrauch

Zu den schlimmsten Verbrechen gehört der Kindesmissbrauch und die Verbreitung entsprechender Videos im Netz. Das Land Hessen geht mit rund 300 Beamten und einem hohen technischen Aufwand dagegen vor. Dabei wäre es sehr hilfreich, wenn die Internet-Provider die IP-Adressen über einen längeren Zeitraum speichern würden. Doch der Datenschutz steht dagegen. Das ist eine politische Auseinandersetzung, wie sie zur Normalität in einem Rechtsstaat gehört.

Neues Bürgerportal: Strafanzeigen, Angsträume, Hate Speech

Die Hessische Polizei hat ein neues Bürgerportal im Internet eingerichtet. Dort gibt es eine erste Online-Wache, bei der man Strafanzeige stellen kann. Zudem ist dort zweitens ein „Mängel-Melder“ eingerichtet, über den Bürger Zonen des Unwohlseins („Angsträume“) melden können, etwa eine kaputte Straßenlaterne. Und drittens lässt sich über das Portal eine „Hate Speech“ melden, die man im Netz findet.

„Bleiben Sie uns gewogen“

„Bleiben Sie Ihrer Polizei gewogen. Üben Sie konstruktive Kritik, wo es etwas zu kritisieren gibt. Aber bringen Sie uns und allen anderen staatlichen Institutionen das Vertrauen entgegen, das notwendig ist, um unseren demokratischen Rechtsstaat aufrecht zu erhalten!“