Thought Leadership
Nicht nur die Quantität, vor allem auch die Qualität der Aufrüstung seit Anfang der 2020er Jahre ist erschreckend. Alle Supermächte arbeiten seit Jahren fieberhaft an der Entwicklung so genannter „Letaler Autonomer Waffensysteme“ (LAW), man kann auch „Killerroboter“ sagen.[Dazu gehören um sich schießende Roboter, selbstgesteuerte Drohnen, autonome Kampfflugzeuge und wer weiß schon so genau, was in den Laboren der Militärs noch alles entwickelt wird. Im Kern geht es um Tötungswaffen, die durch Künstliche Intelligenz (KI) in der Lage sind, weitgehend ohne menschliches Eingreifen zu zerstören. Diese KI-Waffen sollen Ziele selbstständig auswählen, eigenständig feuern und durch „Maschinelles Lernen“ fortlaufend dazulernen, wie sie am meisten Schaden beim Feind anrichten können. „Flash War“ nennen die Experten den Einsatz dieser seelenlosen Killermaschinen.
Das Auswärtige Amt der Bundesrepublik Deutschland beschrieb das Horrorszenario der Zukunft bereits 2019 wie folgt: „Schießende Roboter, großflächige Hackerangriffe auf Stromversorgungssysteme, oder KI-gestützte neuartige Raketensysteme sind längst zu einer realen Gefahr für die Kriegsführung des 21. Jahrhunderts geworden. Künstliche Intelligenz in Waffensystemen darf nicht dazu führen, dass Killerroboter ohne jegliche menschliche Kontrolle die Kriege der Zukunft führen. Wir brauchen eine internationale Ächtung dieser System.
UNO befasst sich seit 2014 mit autonomen Waffen
Seit 2014 bemühten sich die Vereinten Nationen, dem seelenlosen Treiben Einhalt zu gebieten. Die Diskussionen fanden vor allem unter ethischen und völkerrechtlichen Gesichtspunkten statt. Die Befürworter argumentierten, durch autonome Waffen würden weniger Menschen sterben, da diese genauer zielen könnten als Menschen. Die Gegner lehnten es grundsätzlich ab, dass die Roboter gleich in welcher Gestalt selbstständig über Menschenleben entscheiden können.
Bei den Vereinten Nationen wurde ein LAW-Verbot von Anfang an erst gar nicht ernsthaft in Erwägung gezogen, weil es unrealistisch erschien. Verständlich, denn viele Länder sehen in autonomen Waffensystemen die Zukunft der Kriegsführung und denken gar nicht an ein Verbot, wie es von namhaften Nicht-Regierungsorganisationen wie Amnesty International oder dem Diplomatic Council (DC) gefordert wird. Immerhin nahm sich die UNO vor, weltweite Regeln für den Flash War aufzustellen. Denn unabhängig von ethischen Überlegungen besteht bei autonomen Waffen die reale Gefahr, dass sie von Regierungen rund um den Globus rascher und leichtfertiger eingesetzt werden könnten, weil auf der „Entsendeseite“ scheinbar keine Opfer zu befürchten sind. Fehleinschätzungen und Missverständnisse könnten dadurch schneller eskalieren, die Wahrscheinlichkeit von „Ausversehen-Kriegen“ steigen. Nicht zuletzt aus diesem Grund herrschte bei allen bisherigen UNO-Konferenzen zum Thema über ethische, rechtliche, operative und technische Herausforderungen hinaus weitgehende Einigkeit der Staatengemeinschaft, dass die Entwicklung und der Einsatz autonomer Waffensysteme dem Völkerrecht unterliegen sollen.
Von ChatGPT bis zum KI-Kampfroboter
Doch in einer Zeit, in der ChatGPT zum Alltag gehört, ist es wohl unrealistisch zu erwarten, dass ausgerechnet die Waffenhersteller auf KI-Waffen verzichten. Ebenso illusorisch wäre der Glaube, dass Weltmächte wie die USA, China oder Russland nicht Unsummen ausgeben werden, um eine militärische KI-Überlegenheit zu erreichen. Andere Staaten in Europa, im Nahen Osten oder in Asien könnten sich gezwungen sehen, ebenfalls auf KI-Waffen zu setzen, um künftig nicht militärisch hilflos zu werden. Damit scheint das nächste Wettrüsten vorprogrammiert. Von den USA, China, Israel, Südkorea, Russland und Großbritannien ist längst bekannt, dass sie die Entwicklung autonomer Waffensysteme massiv vorantreiben.
Sicherlich werden einige Länder mit kräftigem Waffenexportgeschäft wie die Bundesrepublik Deutschland die neuen Killergenerationen bei ihrer künftigen nationalen Rüstungskontrollpolitik berücksichtigen. Dennoch muss man kein allzu großer Pessimist sein, um die Gefahr zu sehen, dass die Tötungsmaschinen in die Hände von Terroristen gelangen könnten. Und es bedarf keiner prophetischen Fähigkeiten, um vorherzusagen, dass die Vereinten Nationen weiterhin genau davor warnen werden. Die UNO wird mutmaßlich auch Regeln dazu aufstellen. Aber eine generelle weltweite Ächtung KI-gestützter autonomer Waffensysteme durch die UNO, die sich tatsächlich durchsetzt, erscheint gelinde gesagt unwahrscheinlich.
So steht wohl zu befürchten, dass diese Entwicklung, die vor wenigen Jahrzehnten noch wie Science Fiction anmutete, auf dem Weg ist, sich zur Realität zu entwickeln und teilweise längst dort angekommen ist.