Thought Leadership

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Volkswagen anders denken

Von DC Mitglied Jochen M. Richter mit André Schulte-Südhoff und Michael Hafemann*

Ideenskizze und Erfahrungen aus der Krise des Automobilherstellers Karmann

Volkswagen kann auch Traktoren bauen, könnte Windmühlen produzieren und könnte vielleicht sogar Satelliten ins Weltall schießen. Nein? Doch, denn ein Unternehmen von dieser zentralen Wichtigkeit für die deutsche Volkswirtschaft, darf nicht nur über ein Produkt definiert werden. Die großdeutsche Mobilitätsstrategie der Vergangenheit ist längst Vergangenheit.

Was passiert, wenn versucht wird, die Reparatur eines ehemaligen Erfolgsmodelles über Innovation und Modernisierung zu stellen zeigt der Fall des auch ehemals glanzvollen Telekommunikationsunternehmen Nokia. Das Unternehme verpasste den Trend zu Smartphones und setzte lange Zeit auf sein eigenes Betriebssystem Symbian, das zunehmend als veraltet angesehen wurde. Währenddessen gewannen iOS und Android an Popularität und Marktanteilen. Die Unternehmensstrategie reagierte zu langsam auf Marktveränderungen und innovative Konkurrenten wie Apple und Samsung.   Interne Strukturen und Prozesse bei Nokia waren zu starr, um sich schnell genug an die dynamische Mobilfunkbranche anzupassen. Das Management von Nokia traf weiter mehrere strategische Entscheidungen, die sich als nachteilig erwiesen. Dazu gehörte der späte Beschluss, auf Windows Phone als Hauptbetriebssystem zu setzen, anstatt Android zu wählen. Das Scheitern Nokias ist ein Beispiel dafür, wie wichtig es ist, sich schnell an technologische Veränderungen anzupassen und innovativ zu bleiben. Nokia Fall ist eine deutliche Warnung vor den Risiken des Stillstands und der mangelnden Anpassungsfähigkeit. Die damalige versuchte Reparatur Nokias erinnert nicht zufällig an Wolfburger Diskussionen.

In wichtigen Schlüsselmärkten werden VW-Fahrzeuge als wenig innovativ wahrgenommen, während andere Hersteller, beispielsweise in China, technologisch punkten können. Dies zeigt sich besonders im Bereich des autonomen Fahrens. Hier hat VW den Anschluss an Wettbewerber wie Tesla und Waymo komplett verloren. Aber auch insgesamt fehlt es an wettbewerbsfähigen Produkten in fast allen Segmenten. Damit stellt sich die grundsätzliche Frage nach der Innovationskraft des Konzerns.

Empfohlene Maßnahmen:

Aus der Krise und der schlussendlichen Übernahme des Osnabrücker Automobilherstellers Karmann haben wir lokale Erfahrungswerte gesammelt. Bereits zu dieser Zeit haben wir mit dem damaligen Oberbürgermeister der Stadt Osnabrück über alternative Strategien nachgedacht. Es hatte sich gezeigt, dass das technologische Wissen im Unternehmen und besonders die Fähigkeiten der Mitarbeiter, beispielsweise der Mechatroniker, keinesfalls auf die Herstellung von Automobilen beschränkt gewesen war, wie beispielsweise ein Workshop, von Stadt und Hochschule als Karmann Akademie moderiert, mit den damaligen Karmann-Auszubildenen und Herstellern aus dem Bereich der Erneuerbaren Energie gezeigt hatten.

Und selbst im jetzigen Kerngeschäft könnten Innovationen Volkswagen eine veränderte Marktposition schaffen können, beispielsweise durch die Entwicklung vollständig recycelbarer Fahrzeuge. Dieser Ansatz würde nicht nur ökologische Vorteile bieten, sondern auch die Position von VW als Vorreiter in der nachhaltigen Mobilität stärken.

Darüber hinaus gibt es aus der jüngeren Vergangenheit VWs auch Projekte, die bisher unterschätzt werden, aber durchaus richtungsweisend sein könnten. So hat die Volkswagen Group Afrika in Zentralafrika eine multifunktionale Farm zur Erprobung moderner Landwirtschaft mit Elektro-Traktoren in Betrieb genommen. Die Anlage befindet sich in Gashora, Ruanda, etwa 60 Kilometer von der Hauptstadt Kigali entfernt. Das Projekt wurde noch unter Ex-Volkswagen-Chef Herbert Diess auf den Weg gebracht und das unserer Meinung nach ausbaufähig ist.

Implementierung von Mitarbeiterbeteiligungsmodellen:

Aber auch strukturell müsste Volkswagen sich verändern. Die aus Nazi- und Nachkriegszeit stammende Struktur ist für die heutige internationale Wettbewerbssituation hinderlich. Diese zu verändern könnte hingegen für das Unternehmen einen Innovations- und Investitionsschub auslösen:

  • Eine Veräußerung der Landesanteile Niedersachsens an VW mit der Auflage, diese Anteile an die Belegschaft zu übertragen.
  • Einführung eines Gehaltsverzichts von x %, der in Form temporär unveräußerlicher Aktienpakete kompensiert wird.
  • Diese Aktien unterliegen einer Haltefrist, die sicherstellt, dass Mitarbeiter langfristig am Unternehmen beteiligt bleiben.

Dies wäre ein positives Signal an die internationalen Kapitalmärkte und eine hohe Motivation für die Belegschaft, das „eigene“ Unternehmen voranzubringen. Die vorgeschlagene Mitarbeiterbeteiligung würde die Bindung der Beschäftigten an das Unternehmen stärken. Durch die Einbindung der Belegschaft in die Unternehmensführung könnte, in diesem zentral wichtigen Unternehmen, eine Kultur der Mitbestimmung und Verantwortung geschaffen werden, die sich positiv auf die gesamte Gesellschaft auswirkt. Motivation und neues Kapital könnten zur Erhöhung der Investitionen in Forschung und Entwicklung und zur Schaffung innovativer Lösungen für globale Märkte führen, sowie zu einer nachhaltigen Entwicklung des Unternehmens. Zu dieser Nachhaltigkeit gehört auch die Sicherung der „Enkelfähigkeit“ des Unternehmens -ganz im Sinne der Mitarbeiter-Aktionäre. In den nächsten zwei Jahrzehnten könnte VW zu einem diversifizierten Technologiekonzern avancieren, vergleichbar mit Unternehmen wie Tesla oder Google.

Die vorgeschlagenen Maßnahmen bieten VW die Möglichkeit, aktuelle Herausforderungen zu bewältigen und langfristige Perspektiven für Niedersachsen und seine Beschäftigten zu schaffen. Durch die Einbindung der Belegschaft und die Neuausrichtung auf innovative Geschäftsfelder kann VW zu einem Vorbild für nachhaltige Unternehmensführung werden und ein Wirtschaftsfaktor bleiben, auf den das Land Niedersachsen auch in Zukunft bauen kann.

* Autoren dieses Beitrags:

André Schulte-Südhoff, Landesvorsitzender der Familienunternehmen Niedersachsen e.V.  

Michael Hafemann, Vorsitzender der Unternehmensvereinigung „Klima-Frieden Osnabrück und Osnabrücker Land e.V.“

Jochen M. Richter, Chairman Global Security Forum Diplomatic Council (UN reg.)