Thought Leadership
Von DC Mitglied Eckhart Hilgenstock*
Business Development ist der zentrale Wachstumstreiber für jedes Unternehmen und erfährt in vielen Firmen dennoch nicht die gebührende Wertschätzung. In der Industrie kassiert vor allem die Produktentwicklung die Lorbeeren, bei Dienstleistern das Marketing. Das Business Development wird eher als eine zwar notwendige, aber lästige Absatzmaschine eingestuft. Dabei ist der Vertrieb das Aushängeschild gegenüber den Kunden. Gerade im derzeit schwierigen wirtschaftlichen Umfeld ist „Kosten runter“ nur die eine Seite der Medaille; die andere Seite – „Umsatz hoch“ – ist ebenso wichtig.
20 bis 30 Prozent mehr Umsatz durch besseren Vertrieb
Gute Führungskräfte zollen dem Vertrieb höchste Wertschätzung, weil sie um seine fundamentale Bedeutung für den langfristigen Erfolg eines Unternehmens wissen. In zahlreichen Projekten hat sich erwiesen, dass ein hochperformantes Vetriebsteam 20 bis 30 Prozent mehr Umsatz erzielen kann als der Branchendurchschnitt.
Insbesondere im Geschäftskundensegment (B-to-B) bietet die derzeitige Wirtschaftsflaute für vertriebsorientierte Unternehmen die Chance, sich vom Wettbewerb, der möglicherweise am Vertrieb spart, abzuheben und sich eine Spitzenposition zu erarbeiten, um die Marktchancen nach Überwindung der Flaute für ein weit überdurchschnittliches Wachstum zu nutzen. In einem schwierigen Umfeld für alle Marktteilnehmer bietet ein aktives Business Development enorme Chancen, um sich vom schwächelnden Wettbewerb abzuheben.
40 Prozent der Vertriebsmitarbeiter fühlen sich vernachlässigt
Trotz dieser hohen Bedeutung wird der Vertrieb oft stiefmütterlich behandelt. Studien legen nahe, dass 40 Prozent der Vertriebsmitarbeiter das Gefühl haben, von anderen Abteilungen oder dem Topmanagement nicht ausreichend unterstützt zu werden. Dem entsprechend hoch ist die Fluktuation. Eine Auswertung der Stellenangebote auf LinkedIn zeigt, dass die Vertriebsabteilungen eine der höchsten Fluktuationsraten von teilweise bis zu 35 Prozent pro Jahr aufweisen. Je nach Branche und Firma kostet ein Vertriebsmitarbeiter, der das Unternehmen verlässt, im Durchschnitt zwischen 75.000 und 150.000 Euro, wenn man Recruiting, Schulung und entgangene Umsätze mit einbezieht. Die Unternehmen bezahlen teuer für die mangelnde Wertschätzung der Kolleginnen und Kollegen im Vertrieb, und zwar sowohl finanziell als auch in puncto Marktposition.
Abhilfe bieten Vergütungsmodellen mit Grundgehältern, die vom Vertrieb als fair empfunden werden und klare Karrierewege. Unternehmen, die eine transparente Karriereleiter für ihre Vertriebsmitarbeiter aufbauen, haben eine um 30 Prozent geringere Fluktuationsrate, haben Studien des Gallup Instituts ergeben.
Enge Verzahnung von Vertrieb, Marketing und Kundendienst
Neben der höheren Wertschätzung ist zu einer engeren Verzahnung von Vertrieb, Marketing und Kundendienst zu raten. Alle drei Bereiche weisen in der Regel die höchste Kontakthäufigkeit mit Kunden auf; daher sollten sie gemeinsam den Kunden in den Fokus stellen statt sich als eigenständige und gar konkurrierende Abteilungen zu verstehen. Die in vielen Firmen übliche Rivalität zwischen Vertrieb und Marketing wird immer auf Kosten des Kunden ausgetragen, ist die Überwindung von Abteilungsgrenzen zu empfehlen.
Der Vertrieb hat das Ohr besonders nah am Kunden. Der direkte Kundenkontakt ermöglicht es, wichtige Marktinformationen zu sammeln, die nicht nur den Absatz verbessern, sondern auch das Marketing und die Produktentwicklung und gezielt steuern können.
Fünf Prozent mehr Kundenbindung für bis zu 25 mehr Umsatz
Darüber hinaus ist festzustellen, dass viele Unternehmen Neukunden eine höhere Bedeutung beimessen als der Pflege ihres Kundenstamms. Das ist völlig falsch. Studien zufolge kann ein Anstieg der Kundenbindung um nur fünf Prozent je nach Branche zu Umsatzsteigerungen von 25 Prozent oder sogar mehr führen. Gerade in der jetzigen Krise ist es wichtig, nah am Kundenstamm zu agieren, um diesen von möglichen niedrigpreisigen Lockangeboten der Wettbewerber fernzuhalten.
CRM für bis zu einem Drittel mehr Vertriebsproduktivität
Ein Großteil der Unternehmen, die mich zur Optimierung ihrer Vertriebsorganisation ins Haus holen, unterschätzen die Bedeutung von Technologie für das Business Development. Zwar haben die meisten Firmen ein System für Customer Relationship Management (CRM) installiert, aber sie nutzen es häufig nicht einmal zur Hälfte aus in Bezug auf die Funktionalität und die Einbindung in die kundennahen Betriebsabläufe.
In vielen Firmen wird das CRM-System lediglich als digitale Kundenkartei zum Speichern von Kontaktdaten eingesetzt. Die richtige CRM-Nutzung kann die Produktivität im Business Development um bis zu einem Drittel steigern. Ein besserer Zugang zu Daten bedeutet auch eine bessere Entscheidungsfindung und gezielteres Kundenmanagement.
Sprunghafte Produktivitätssteigerung im Vertrieb durch KI
Für die nahe Zukunft erwarte ich sprunghafte Produktivitätssteigerungen im Vertrieb durch Künstliche Intelligenz. Ich habe 2024 bereits eine Reihe kleinerer KI-Projekte im Industrie- und Dienstleistungssektor durchgeführt. Dabei waren an vielen Stellen noch Mängel etwa bei der Integration mit Office- oder CRM-Software festzustellen. Aber ich bin sicher, dass diese Schwachstellen 2025 behoben werden können, um das volle Potenzial von Vertriebs-KI zu entfalten.
Beispielhaft ist die Integration von Microsofts KI-Software Co-Pilot mit der Office-Suite des Unternehmens, den CRM-Systemen anderer Hersteller und der Verknüpfung mit dem Business-Netzwerk LinkedIn zu nennen. 2025 wird das Jahr der KI im Vertrieb.
Insbesondere bei der Nutzung neuer Technologien ist allerdings eine gezielte Weiterbildung unerlässlich. Schon bei der Schulung herkömmlicher Vertriebsthemen hat eine Studie der Aberdeen Group ermittelt, dass Unternehmen, die 10 Prozent mehr in die Ausbildung ihrer Vertriebsteams investieren, eine Umsatzsteigerung von durchschnittlich 8 Prozent zu verzeichnen haben. Bei KI-Schulungen zusammen mit den passenden und richtig eingesetzten KI-Tools reden wir eher über bis zu 30 Prozent Umsatzzuwachs.
* Eckhart Hilgenstock zählt zu den meistgefragten Interim Managern in Deutschland. Unternehmen holen ihn regelmäßig als Führungskraft auf Zeit in den Betrieb, wenn es um die Themen profitables Wachstum und Vertrieb sowie Digitalisierung und den KI-Einsatz in Organisationen geht. „Eckhart Hilgenstock gilt als Vorzeigetyp der Branche“, schrieb die WirtschaftsWoche über ihn. Seine Erfahrungen hat er u.a. gesammelt als General Manager EMEA bei Microsoft sowie zuvor als Managing Director DACH bei Lotus Development und IBM Deutschland. Eckhart Hilgenstock ist Mitglied im Diplomatic Council, einer globalen Denkfabrik mit Beraterstatus bei den Vereinten Nationen (UN).