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Seit 2008 leben erstmals in der Geschichte der Menschheit mehr Menschen in Ballungsräumen als auf dem Land. Schätzungen der UNO zufolge werden in 2030 über 60 Prozent der Weltbevölkerung Städten leben, bis 2050 sollen es etwa zwei Drittel werden. Diese Konzentration wird vor allem in Afrika, Asien und Lateinamerika erwartet, wobei diese Entwicklung am stärksten in ärmeren Ländern absehbar ist. Es wird wohl so kommen, dass das Wachstum in Ballungszentren in den ersten drei Jahrzehnten des 21. Jahrhunderts die kumulative urbane Expansion in der Menschheitsgeschichte übertrifft. Schon heute findet etwa 70 Prozent des welweiten Energieverbrauchs in Städten statt, obgleich diese nur 5 Prozent der Landmasse der Erde belegen. Damit verbunden ist eine stetige steigende urbane Nachfrage nach Wasser, Land, Baumaterial, Nahrungsmitteln, Maßnahmen zur Eindämmung der Luftverschmutzung und Abfallmanagement. Die Städte stehen unter dem ständigen Druck, bessere Services anzubieten, die Effizienz zu erhöhen, die Kosten zu senken, die Effektivität und Produktivität zu steigern sowie Überlastungen der Infrastrukturen und der Umweltbelastung entgegenzuwirken. Diesen Herausforderungen wird nur mit Konzepten zu begegnen sein, die gemeinhin als Smart City bezeichnet werden.
Smart City ist mehr als Technologie
Die zur UNO gehörende International Telecommunicaton Union (ITU) hat 2014 aus über 100 verschiedenen Definitionen zu Smart City die folgende Festlegung getroffen, die sich das DIplomatic Council zu eigen macht: „A smart sustainable city is an innovative city that uses ICTs and other means to improve quality of life, efficiency of urban operation and services and competitiveness, which ensuring that it meets the needs of present and future generations with respect to economic, social and environmental aspects“. Frei übersetzt: Eine smarte nachhaltige Stadt ist innovativ und nutzt Informations- und Telekommunikationstechnologien und weiteres, um die Lebensqualität, Effizienz der städtischen Betriebe und Services sowie die Wettbewerbsfähigkeit zu steigern, und dadurch die Anforderungen der heutigen und künftiger Generationen in Bezug auf Wirtschaft, Soziales und Umweltbelastung zu erfüllen. Damit ist klar, dass der Begriff Smart City keineswegs nur eine technologische Vision beschreibt, sondern viel weitergehender ein kommunales Multistakeholderkonzept darstellt, das nur im Zusammenwirken von Politik, Gesellschaft, Wirtschaft und Technologie zu bewältigen ist. Das bedeutet sicherlich auch, dass Kommunalpolitik – gelegentlich gegenüber der „großen Politik“ belächelt – herausfordernder als je zuvor wird. Wenn weit mehr als die Hälfte der Weltbevölkerun g in Städten lebt, bestimmt primär der Erfolg der Kommunialpolitik bei der Erschaffung der Smart Cities die Lebensqualität der meisten Menschen.
Smart City bedingte smarte – „intelligente“ – Infrastrukturen. Dazu gehören die Gebiete Gebäude, Mobilität, Ernergie, Wasser, Entsorgung, Gesundheitswesen und digitale Infrastrukturen. Dabei ist von fünf ineinander übergreifenden digitalen Ebenen auszugehen: einen weit verteilten Netz aus Sensoren, einer Konnektivität für das „Einsammeln“ der Daten, einer Datenanalyse mit Vorhersagefunktionalität, einer Automatisierungsschicht und einem Stadtnetzwerk, das die physikalischen und die digitalen Infrastrukturen verbinden. Die erfolgreiche Implementierung benötigt auf jeden Fall ein ausfallsicheres Breitbandnetzwerk, ein effizientes Ökosystem für das Internet of Things (IoT) und die Echtzeitanalyse der erfassten Datenmengen im Sinne von Big Data.
Schon heute besteht eine Stadt aus unterschiedlichen vertikalen Infrastrukturen, die bislang allerdings mehr oder minder getrennt voneinander funktionieren. Die Herausforderung der Smart City liegt darin, diese einzelnen Systeme zu einem Gesamtsystem zu verknüpfen. Diese Verknüpfung ist nicht nur im digitalen Sinne zu verstehen, auch die Zusammenlegung von Funktionseinheiten (Co-Location) stellt ein wesentliches Element dar. Das weltweit wohl beste Beispiel für diesen Ansatz stellt die Gujarat International Finance Tec-City ni Indien dar, in der unterschiedliche Versorgungen über ein einziges Tunnelsystem erfolgen, was zu dramatischen Kosteneinsparungen und einer deutlich besseren Nutzung der städtischen Fläche führt. Bezüglich der Datenintegration taugt die niederländische Stadt Eindhoven aus gutes Beispiel; dort werden die durch das intelligente Verkehrsleitsystem generierten Daten genutzt, um Verkehrsströme vorauszusagen und die Verkehrsdichte zu reduzieren. Singapur stellt ein hervorragendes Beispiel für eine offene Datenplattform dar, auf die unterschiedliche Smart City-Initaitiven zugreifen können, sei es, um Daten einzuspeisen oder um Daten aus anderen Bereichen für neue Services zu nutzen.
Städtischer offener Datenbus für digitales Ökosystem
Ein städtischer Datenbus als Grundlage für ein digitales Ökosystem wird von vielen Experten als wegweisender erste Schritt zur Smart City eingestuft. In einem solchen digitlaen Ökosystem könnten öffentliche Hand und Privatwirtschaft nach festgelegten Regeln zusammenwirken, um die verschiedenen Services aufeinander abgestimmt der Bevölkerung bereitzustellen. Mittels Verrechnungseinheiten für Nutzung und Datenzugriff ließen sich auch öffentlich-privatwirtschaftliche Finanzierungsmodelle im Sinne von Public-Private-Partnerships (PPP) erarbeiten, um der Smart City eine wirtschaftliche Grundlage und Perspektive zu verschaffen. In wie weit dieser Ansatz vor allem in Europa mit dem Datenschutzprinzip der Minimierung der Erfassung personenbezogener Daten und der ausdrücklich nicht gewünschten funktionsübergreifenden Datennutzung vereinbar ist, lässt sich derzeit kaum abschätzen.
Die Schaffung und der nachhaltige Betrieb der Smart Cities wird nur gelingen, wenn es die Kommunalpolitik versteht, der Wirtschaft attraktive Geschäftsmodelle aufzuzeigen, um sich für die urbanen Konzepte der Zukunft zu engagieren. Dabei wird Big Data, also die weiträumge Erfassung und Auswertung von Großdatenbeständen, sicherlich eine maßgebliche Rolle für den Erfolg spielen. Die detaillierten Datenanalysen sind im übrigen nicht nur für die Prvatwirtschaft als Basis für die Monetarisierung von höchstem Interesse, sondern auch für den Staat: Kommunale Steuer- und Abgabemodelle, die durch Big Data-Auswertungen „intelligente“ Steuerungsfunktionen übernehmen, werden sicherlich in der Zukunft zum Regelfall werden. Das einfachste Modell – wer zu Stoßzeiten in die Innenstadt fährt, zahlt einen Obolus extra -, lässt sich in vielfältiger Weise um immer granularere Varianten ergänzen.
Top-down und Button-up kombinieren
Die Realisierung der Smart City erfordert eine wohldurchdachte Kombination von Top-down- und Button-up-Ansätzen. Insbesondere für Notfälle ist eine Beherrschung der verntzten kommunalen Infrastrkturen von oben unabdingbar. Gleichzeitig gilt es, aus der Bevölkerung und der lokalen Wirtschaft kommende Initiativen einfach, transparent und nachhaltig in das Gesamtkonzept einzubinden. Ein gutes Beispiel kommt aus Amsterdam: Die Stadt hat an die Bevölkerung ein „Smart Citizen Kit“ herausgegeben, mit dem engagierte Bürger mithelfen können, ein Sensornetzwerk zu etablieren, um die Luftqualität in der Stadt zu überwachen.