News

Image
RAin Esther Czasch
Rechtsfragen zur Pandemie

RAin Esther Czasch, als Wirtschaftssenatorin im Diplomatic Council engagiert, hat sich in der Pandemie immer wieder mit nützlichen und praxisnahen Rechtstipps hervorgetan. In einem gut einstündigen Online-Event hat sie exklusiv für Mitglieder die wesentlichen Leitplanken der Rechtssituation dargelegt. Im folgenden werden einige Schlüsselerkenntnisse daraus vorgestellt.

Am 11. März 2020 erklärte die Weltgesundheitsorganisation WHO die weltweite Ausbreitung von Covid19 zur Pandemie. Seitdem hat die Bundesregierung in einem bemerkenswerten Eiltempo gehandelt, um einen Gesetzesrahmen zum Schutz der Bevölkerung in Deutschland zu schaffen. Das entscheidende

Gesetz zur Abmilderung der Folgen der Covid19-Pandemie im Zivil-, Insolvenz- und Strafverfahrensrecht (Covid19-Gesetz)

wurde am 27. März verabschiedet. Weitere im Zusammenhang mit der Pandemie wichtige gesetzliche Regungen sind:

  • Verordnung über Abweichungen von den Vorschriften des Fünften Buches Sozialgesetzbuch, des Apothekengesetzes, der Apothekenbetriebsordnung, der Arzneimittelpreisverordnung, des Betäubungsmittelgesetzes und der Betäubungsmittel-Verschreibungsverordnung infolge der SARS-CoV-2-Epidemie vom 20. April 2020;
  • Verordnung über die Bezugsdauer für das Kurzarbeitergeld vom 16. April 2020;
  • Gesetz für  den erleichterten Zugang zu sozialer Sicherung und zum Einsatz und zur Absicherung sozialer Dienstleister aufgrund des Coronavirus SARS-CoV-2 (Sozialschutzpaket) vom 27. März 2020;
  • Gestz zum Ausgleich Covid-19 bedingter finanzieller Belastungen der Krankenhäuser und weiterer Gesetz zum Schutz der Bevölkerung bei einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite vom 27. März 2020;
  • Verordnung über Erleichterungen der Kurzarbeit (Kurzarbeitergeldverordnung (KugV ) vom 25. Mörz 2020;
  • Gesetz zur befristeten krisenbedingten Verbesserung der Regelungen für das Kurzarbeitergeld vom 13. März 2020.

Welche Kritik der eine oder andere an der Bundesregierung üben mag, Untätigkeit angesichts der Pandemie kann man dem Gesetzgeber jedenfalls nicht vorwerfen.

Beim rechtlichen Rahmen ist zu unterscheiden zwischen dem öffentlichen Recht und dem Privatrecht. Auf der öffentlichen Seite werden die Handlungsgrundlagen in der Pandemie im wesentlichen vom Bundes-Infektionsschutzgesetz, den Landes-Infektionsschutzgesetzen und den Sars-CoV-2-Verordnungen von Bundesländern und Gemeinden bestimmt.

Schutzschirm für wirtschaftlich Betroffene

Die Zielsetzungen des Covid19-Gesetzes lassen sich wie folgt zusammenfassen: Der Staat will einen Schutzschirm schaffen für diejenigen, die wirtschaftlich von Covid19 tatsächlich  betroffen sind. Dazu gehören inbesondere der gefährdete Lebensunterhalt von Verbrauchern, der gefährdete Unternehmensbestand von Kleinstunternehmern, der gefährdete Fortbestand von Mietverhältnissen und der gefährdete  Fortbestand von Darlehensverträgen. Das seit 1. April 2020 geltende Gesetz soll zum 30. September 2022 wieder außer Kraft treten.

Schuldenmoratorium für Verbraucher und Kleinstunternehmer

Für Verbraucher und Kleinstunternehmer sieht das Gesetz ein Schuldenmoratorium vor. Das bedeutet, dass man Zahlungen aus wesentlichen Dauerschuldverhältnissen zur Eindeckung mit Leistungen zur angemessenen Daseinsvorsorge (Verbraucher) bzw. zur Fortsetzung des Erwerbsgeschäfts (Kleinstunternehmer) aussetzen darf. Dazu gehören zum Beispiel Versorgungsverträge (Energie, Telekommunikation etc.) und Pflichtversicherungen, bei Unternehmen können Bezugs-, Factoring-, Franchise-, Leasing- oder Lizenzverträge etc. hinzu kommen. Wichtig dabei: Die Umstände für die Aussetzung müssen nachweislich auf die Covid19-Pandemie zurückzuführen sein. Und: Die Leistungsverweigerung muss ausdrücklich geltend gemacht werden. Es genügt also keineswegs, einfach Zahlungen einzustellen. Das Leistungsverweigerungsrecht gilt derzeit bis zum 30. Juni 2020. Es könnte künftig möglicherweise bis zum 30. September 2020 oder sogar bis zum 30. September 2022 verlängert werden. In jedem Fall gilt: Nach Ablauf muss die aufgelaufene Forderung in voller Höhe sofort beglichen werden. Zinsen fallen allerdings nicht an.

Schutz von Miet- und Pachtverhältnissen

In der Pandemie gibt es einen erweiterten Mieterschutz dahingehend, dass Miet- und Pachtverhältnisse nicht gekündigt werden dürfen, wenn die Miete bzw. Pacht aus Covid19-Gründen nicht bezahlt wird. Die Regelung gilt zunächst bis 30. Juni 2020. Anschließend haben Mieter und Pächter zwei Jahre Zeit, die Rückstände auszugleichen. Allerdings: Kündigungen aus sonstigen Gründen, etwa wegen Eigenbedarf, sind weiterhin wie bisher möglich. Zudem können bei Nicht- bzw. Nachzahlung wohl Zinsen geltend gemacht werden. Ob der Rückgriff auf eine Mietkaution rechtens ist, gehört zu den vielen derzeit noch ungeklärten Rechtsfragen rund um die Pandemie.

Insolvenzschutz nur bei Corona-Grund

Die Pflicht zur Stellung eines Insolvenzantrages ist bis zum 30. September 2020 ausgesetzt (eine Verlängerung bis zum 31. März 2021 ist möglich). Bis dahin ist zudem das Recht der Gläubiger eingeschränkt, das Insolvenzverfahren zu eröffnen. Betroffen sind Kapitalgesellschaften, Vereine, Stiftungen und Personengesellschaften, bei denen keine natürliche Person voll  haftet. Entscheidend ist, dass der Insolvenzgrund eine Folge der Pandemie ist und eine Aussicht besteht, den bestehenden Insolvenzgrund wieder zu beseitigen. Dabei gilt die Vermutung, dass der Insolvenzgrund auf die Corona-Krise zurückzuführen ist, wenn bei dem betroffenen Unternehmen am 31. Dezember 2019 kein Insolvenzgrund vorlag.

Corona-Soforthilfe ist kein Geschenk

Die Corona-Zuschüsse von Bund und Ländern sind Transferleistungen, die nicht zurückgezahlt werden müssen, vorausgesetzt,  sie wurden regel- und rechtskonform beantragt. Dabei gilt: Man hat nur ein Recht auf den Zuschuss, wenn man sich tatsächlich in einer Existenzkrise befindet. Aber der Zuschuss ist kein Geschenk. Das erhaltene Geld muss als Einnahme versteuert werden (Einkommens-, Gewerbe-, Kirchensteuer und Soli). Die Körperschaftssteuer kommt dabei nur zum Tragen, wenn auf das Jahr gerechnet ein Gewinn erzielt wird.

Soforthilfe zurückzahlen?

Häufig tritt die Frage auf, was zu tun ist, wenn man sich nachträglich unbehaglich fühlt mit dem Zuschuss, weil der befürchtete Geschäftseinbruch ausgeblieben ist. Es gibt mehrere  Gründe für die Rückzahlung der Corona-Soforthilfe:

  • unrechtmäßige, aber fahrlässige Beantragung unter Missachtung der Antragsvoraussetzungen;
  • im Nachhinein geänderte Voraussetzungen, die den Antragsteller aus dem Raster fallen lassen;
  • versehentliche Mehrfachbeantragung und Mehrfachbegünstigung infolge technischer Probleme;
  • Überraschender Anstieg der Auftragslage, der die Soforthilfe  überflüssig macht;
  • Teilrückzahlung wegen Übervorteilung durch Auszahlung des Maximalbetrags, der nicht in voller Höhe benötigt wird.

Die Frage nach der Nutzung der Soforthilfe für private Lebenshaltungskosten ist von Bundesland zu Bundesland unterschiedlich zu beantworten. Das gilt auch für die Frage, unter welchen Umständen ein Subventionsbetrug vorliegen könnte. Rückzahlungen sind straffrei möglich. Anderenfalls fordert der Staat das Geld wahrscheinlich zuzüglich Zinsen zurück, neben eventuellen strafrechtlichen Ermittlungen. Rückzahlungen sind einfach möglich durch eine Rücküberweisung auf das Konto, von dem einem das Geld  überwiesen wurde (Verwendungszweck „Rückläufer“ mit Angabe von Bescheidnummer und Bescheiddatum).

Pacta sunt servanda

Die Auswirkungen auf laufende Verträge lässt sich wie folgt zusammenfassen: Es muss geleistet werden. Verträge sind einzuhalten, es sei denn, der Vertrag erhält eine ausdrückliche Force-Majeure-Klausel für den Fall höherer Gewalt. Allerdings gilt der Grundsatz: Unmögliches kann nicht verlangt werden, sofern kraft gesetzlicher Bestimmungen ein Vertragspartner die Leistung nicht erfüllen kann. Wenn nichts dergleichen vorliegt, kann das allgemeine Leistungstörungsrecht und hier insbesondere der Wegfall der Geschäftsgrundlage herangezogen werden. Als Rechtsfolgen kommen die Anpassung des Vertrags an die geänderten Umstände oder, falls dies nicht möglich oder nicht zumutbar ist, der Rücktritt bzw. die Kündigung in Frage.

Massive Grundrechtseingriffe sind rechtens

Heftige Diskussionen werden um die Frage geführt, ob die massiven Grundrechtseingriffe der Regierung angesichts der Pandemie rechtens waren und sind. Grundlage für alle diese Eingriffe ist ist die Generalermächtigung in §28 Abs. 1 Satz 2 Infektionsschutzgesetzt (IfSG), wonach staatliche Stellen zur Abwehr drohender Seuchen oder Infektionskrankheiten generell  die notwendigen Schutzmaßnahmen ergreifen dürfen, um die Gefahr für die Gesundheit der Bevölkerung zu beseitigen. Dann  darf der Staat sogar im Rahmen der Seuchenbekämpfung persönliche Freiheitsrechte, das Recht auf Unverletzlichkeit der Wohnung und die gemäß Art. 8 Grundgesetz geschützte Versammlungsfreiheit beschränken.

Beispiele für die Einschränkungen von Grundrechten:

  • Das Recht auf Freizügigkeit (Art. 11 GG), auf §28 IfSG gestützt: Die Menschen dürfen nicht mehr überall hin gehen. So wurden Strände oder der Weg zu bestimmten Sehenswürdigkeiten gesperrt. Grenzen von Ländern sind geschlossen.
  • Das Recht auf Entfaltung der Persönlichkeit (Art. 2 GG): Viele Dinge im Alltag sind nicht mehr möglich. Die Kinos, Theater, Museen, Schwimmbäder und viele weitere Einrichtungen waren oder sind geschlossen.
  • Das Recht auf Versammlungsfreiheit (Art. 8 GG): Demonstrationen sind Versammlungen. Der Staat verlangt, dass Demonstrationen nur stattfinden dürfen, wenn die Corona-Regeln eingehalten werden können. So können  Demonstrationen nicht oder nur eingeschränkt stattfinden.
  • Die Freiheit der Person (Art.2  GG): Bei einer Quarantäne darf das Haus 14 Tage nicht verlassen werden.
  • Die Unverletzlichkeit der Wohnung (Art. 13 GG): Wohnungen von infizierten Personen dürfen vom Amtsarzt unter  bestimmten Umständen ungefragt betreten werden.
  • Das Recht auf Berufsfreiheit (Art. 12 GG): Im März und April 2020  mussten viele Geschäfte und alle Gaststätten schließen. Besitzer und Beschäftigte von Gaststätten konnten ihren Beruf nicht ausüben.

Derzeitige Tendenz  der Gerichte: Beim Auftreten neuer Gefahren, die beim Erlass  des Gesetzes nicht erkennbar waren, können auch intensive Beschränkungen der Freiheitsrechte auf eine Generalklausel gestützt werden, um damit noch größere Einschnitte in andere  überragende Rechtsgüter wie das der Gesundheit und der körperlichen Unversehrtheit zu verhindern. In allen Fällen gilt, dass der Staat streng an den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz gebunden ist. So erlaubt §28 IfSG Grundrechtsbeschränkungen nach seinem Wortlaut nur solange, bis der notwendige Schutz der Bevölkerung erreicht ist. In über 120 Entscheidungen haben  Gerichte bundesweit die staatlichen Beschränkungsmaßnahmen bis auf wenige Ausnahmen  in speziell gelagerten Einzelfällen gestützt. Das gilt übrigens auch für die Maskenpflicht in bestimmten Situationen.

Arbeitsrecht bislang ohne Änderungen

Beim Arbeitsrecht gibt es bislang keine Corona-bedingten Änderungen. Kündigungen mit der Begründung „es ist Krise“ sind also per se keinesweg rechtens. Das Kündigungsschutzgesetz gilt weiterhin, ebenso wie die gesetzliche Kündigungsfrist. Für eine Kündigung bedarf es stets eines gewichtigen Grunds. Dramatische Verluste können indes als ein wichtiger Grund gelten. Allerdings darf die Kündigung nur die ultima ratio sein. In vielen Fällen wird mit Kurzarbeitergeld überbrückt. Die Sozialauswahl muss ebenfalls berücksichtigt werden. Der Bereich Arbeitsrecht wird möglicherweise in den nächsten Monaten auf Corona vorbereitet werden.

Corona und Strafrecht

Die Ansteckung anderer  mit  dem Coronavirus kann sein:

  • gefährliche  Körperverletzung, §§ 223, 224 StGB (Strafrahmen:  sechs Monate bis zu zehn Jahren Freiheitsstrafe),
  • fahrlässige Körperverletzung, § 229 StGB (Strafrahmen: Geldstrafe oder Freiheitsstrafe biszu drei Jahren).

In der Ansteckung  liegt eine Körperverletzung (Gesundheitsschädigung). Dabei ist zu differenzieren, ob man von der eigenen Erkrankung wusste, z.B. wenn man die Ansteckung des anderen beabsichtigt hat, also wenn es das Ziel war, die Ansteckung herbeizuführen (Vorsatz), oder wer aufgrund  des eigenen Verhaltens sicher wusste, dass es zu einer Ansteckung kommt (bedingter Vorsatz). Es genügt sogar, wenn man die Ansteckung einer anderen Person nur für möglich hält und billigend in Kauf nimmt („Na wenn schon, mir doch egal, ob ich jemand anderen infiziere, die Krankheit  ist doch ohnehin nicht schlimm“). Ansonsten liegt fahrlässige Körperverletzung vor.

Hat jemand eine andere Person mit dem Coronavirus angesteckt und führt die Erkrankung zum Tod dieser Person, kommt sogar eine Bestrafung wegen folgender Delikte in Betracht:

  • fahrlässige Tötung, § 222  StGB (Strafrahmen: Geldstrafe oder Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren),
  • Körperverletzung mit Todesfolge, § 227 StGB (Strafrahmen: Freiheitsstrafe von drei bis zu fünfzehn Jahren),
  • Totschlag, § 212  StGB (Strafrahmen: Freiheitsstrafe von fünf bis zu fünfzehn Jahren),
  • Mord, § 211 StGB (Strafrahmen: lebenslange  Freiheitsstrafe).

In allen Fällen gilt: Die Kausalität muss nachgewiesen werden. In der Praxis dürfte das schwierig und daher die Ausnahme sein.

Weiß beispielsweise jemand von seiner Erkrankung mit dem Coronavirus und macht sich dennoch einen „Spaß“ daraus, Menschen anzuhusten, die sich sodann mit dem Virus infizieren und hierdurch zu Tode kommen, kommt je nach Einzelfall eine Strafbarkeit wegen Totschlags oder Mordes in Betracht.

Zudem sind Zuwiderhandlung gegen behördliche Anordnungen strafbar. Dazu gehören beispielsweise die vorsätzliche oder  fahrlässige Missachtung der angeordneten Quarantäne, das Widersetzen gegen erteilte Ausgangssperren, der unerlaubte  Besuch von Krankenhäusern, die unerlaubte Ausübung des Berufes und die Verbreitung des Coronavirus.